Professor beleuchtet dunkle Historie des Stülerbaus
Architekturkunst und Arierwahn, Grazie und Grauen. Im Vorfeld des Charlottenburger Schlosses sind die Extreme einander nah. Welche Bewandtnis es mit dem vom Stadtzentrum aus gesehen äußeren Bau des Schinkel-Schülers Friedrich August Stüler hat, das erklärte nun auf Einladung der Grünen im Bezirk Geschichtsprofessor Michael Wildt vor Hunderten Gästen.
In der Führerschule der nationalsozialistischen Sicherheitspolizei, so berichtete Wildt, sei die Idee, die Polizeigewalt der Parteiregie direkt zu unterstellen, perfektioniert worden. Die Kaderschmiede, untergebracht im besagten Stülerbau, machte aus dem Freund und Helfer ein Werkzeug des willkürlichen Terrors, das nur noch nebenher über die allgemeine Ordnung wachte.
Wer in der Führerschule ab 1933 Karriere machen wollte, wusste, dass Judenverfolgung und Gewalt im Sinne des Rassendenkens fortan zur täglichen Praxis gehören würden. Hiesige Absolventen der Lehrgänge für eine höhere Laufbahn in der Gestapo waren bald international berüchtigt. Einige Rekruten, die zu den brutalsten Feldherren der Geschichte heranwachsen sollten, haben an der Charlottenburger Schule ihr Rüstzeug erhalten für ihre Gräueltaten an der Ostfront. Und was sie dort anrichteten, soll ihren Vorgesetzten, Erwin Schulz, tatsächlich berührt haben. "Was Schulz bekümmerte, war aber nicht das Leid der Opfer, sondern die Verfassung der Täter", sagt der Professor. "Er hatte Angst, dass sie einen Knacks erleiden." Dabei sei niemand ausdrücklich zum Ausführen von Exekutionen verpflichtet gewesen, obwohl der Gruppendruck sich natürlich als verheerendes Mittel erwies. "Es gab viele Vollstrecker und wenige Verweigerer", erinnert Wildt, der an der Humboldt-Universität lehrt. "Aber es gab sie."
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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