Schenken, was den Geist stärkt: Wie ein Freundeskreis die Stadtbibliothek jung hält

Papier ist unersetzlich: Wilfried Fest liest oft genug am Bildschirm, schwört aber gerade deshalb auf das klassische Buch. | Foto: Thomas Schubert
  • Papier ist unersetzlich: Wilfried Fest liest oft genug am Bildschirm, schwört aber gerade deshalb auf das klassische Buch.
  • Foto: Thomas Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Charlottenburg-Wilmersdorf. Wer nicht richtig lesen kann, hat schlechtere Chancen im Leben. Deshalb stellt die Berliner Woche im Rahmen der Aktion "Das geht uns alle an" Akteure und Organisationen vor, die sich dafür einsetzen, dass Menschen besser lesen können.

Nichts vergrault Leser so sehr wie Regale voller alter Schinken. Aufgrund dieser Einsicht versorgt der Freundeskreis der Stadtbibliothek im Bezirk die sieben Filialen seit 14 Jahren ständig mit frischem Stoff. Der Vorsitzende Dr. Wilfried Fest bewertet im Gespräch mit Reporter Thomas Schubert die Lage. Und liefert Lesetipps für den Sommer.

Welche Freundschaftsdienste erweisen Sie den Bibliotheken im Bezirk?

Wilfried Fest: Der Verein hat es sich zur Aufgabe gesetzt, Leistungen zu erbringen, die der Staat nicht mehr übernehmen kann. Der Kulturetat wurde bei der Zusammenlegung der Altbezirke Charlottenburg und Wilmersdorf komprimiert. Und es fehlte an Mitteln zur ausreichenden Neuanschaffung von Büchern. Aber kaum etwas ist schädlicher für eine Bibliothek als der Mangel an neuem Lesestoff. Also schaffen wir zusätzliche Bücher an. Jedes Jahr schenken wir mindestens die aktuellen Titel von der Shortlist der Leipziger Buchmesse und die Titel des Deutschen Jugendliteraturpreises. Wir konzentrieren uns auf das Sponsoring von Büchern, aber andere Medien kommen ebenfalls in Frage. Auch für Flüchtlinge haben wir schon Literatur gespendet, sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. Ansonsten veranstalten wir regelmäßig Lesungen in der Ingeborg-Bachmann-Bibliothek und gewinnen dafür namhafte Autoren. Es wäre schön, wenn wir für solche und andere Aktionen noch weitere Mitglieder werben könnten. Begonnen haben wir 2002 mit 12 Mitglieder und sind jetzt bei 36 angelangt, also drei Dutzend. Mein Ziel wird es sein, das vierte Dutzend vollzumachen. Neuzugänge sind uns gerne willkommen.

In welchem Zustand sehen Sie die hiesigen Bibliotheken? Welches sind die größten Probleme?

Wilfried Fest: Problematisch ist der Fortbestand der Bibliotheken an sich. Denn in diesem Citybezirk haben wir sieben Filialen, darunter die Hauptstandorte im Rathaus Charlottenburg und an der Brandenburgischen Straße. Es stand mehrfach zur Debatte, ob der Bezirk, der die Personalkosten senken musste, sie alle halten kann. Das Projekt, eine großen Zentralbibliothek einzurichten, zum Beispiel durch Anmietung von Räumen in der Wilmersdorfer Straße, ist gescheitert. Wir hätten es unterstützt. Aber auch eine dezentrale Lösung kann sinnvoll sein. Dann muss man die Filialen aber auch personell versorgen können. Zeitweise waren neun Stellen unbesetzt. Es kam deswegen an bestimmten Tagen zur Schließung von Filialen. Und der Freundeskreis hat mit Forderungen an den Bürgermeister und die Stadträtin vehement dafür gekämpft, dass sich das zum Guten ändert. Es ist uns gelungen. Und wir freuen uns gemeinsam mit der Leserschaft.

Sehen Sie eine sichere Zukunft für schwach nachgefragte Bibliotheken wie die am Halemweg?

Wilfried Fest: Dieses Thema ist der bildungspolitische Dauerbrenner. Wenn man Kosten und Leistung gegenüberstellt, ist die Bibliothek im Stadtteilzentrum am Halemweg ein Sorgenfall. Sie ist ja bezeichnenderweise namenlos geblieben. Vielleicht weil man gezögert hat, sie zu taufen und dann zu schließen. Anderseits liegt diese Filiale in einem Brennpunktbereich des Bezirks. Und man kann sagen: Gerade dort ist es nötig, leselustige Anwohner zu fördern. Auch die Adolf-Reichwein-Bibliothek im Rathaus Schmargendorf steht vor Veränderungen. Bisher ist ja nur die Jugendabteilung oder nur der Erwachsenenbereich geöffnet, weil man die beiden Etagen nicht gleichzeitig betreuen kann. Das Ziel eines möglichen Umzugs sollte es sein, dass beide Bereiche an jedem Öffnungstag zugänglich sind.

Was halten Sie davon, dass immer mehr Menschen an Bildschirmen lesen und nicht mehr in Büchern?

Wilfried Fest: Das eine muss das andere ja nicht ausschließen. Nach meiner persönlichen Meinung ist es so, dass jenes, was man am Computerbildschirm oder auf dem Smartphone liest, nicht eine solche Erinnerungswirkung hinterlässt wie das, was man in einem Buch liest. Man denkt sich: Das ist ja dort abgespeichert und ich kann es aufrufen, wenn ich es brauche. Man merkt sich wichtige Dinge eher schlechter. Das Buch als Gegenstand hat außerdem einen ästhetischen Wert. Es ist ein Gegenstand, der Ruhe und Muße gibt. Wir sollten dafür sorgen, dass es nicht stirbt.

Welche Bücher empfehlen Sie für diesen Sommer?

Wilfried Fest: Es sind natürlich Bücher, die man in unseren Bibliotheken finden kann. Man nehme nur die Spitzentitel der Leipziger Buchmesse: bei der Belletristik Heinz Strunks „Der goldene Handschuh“. Bei den Sachbüchern empfehle ich eines zur Energiewende: Hans Joachim Schellnhuberns „Selbstverbrennung“. Und da ich selbst Anglist bin, nenne ich außerdem Richard Fords „Canada“.

Den Freundeskreis der Stadtbibliothek Charlottenburg-Wilmersdorf findet man im Internet unter www.buecherfreunde-gesucht.de.
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
 Ist Ihr Herz gesund? Informieren Sie sich am 20. November über Herzschwäche und wie man sie erkennt und behandelt. | Foto: Caritas-Klinik Maria Heimsuchung

Infos über Herzinsuffizienz
Vortrag: „Herzschwäche erkennen und behandeln“

Die Caritas-Klinik Maria Heimsuchung lädt Sie herzlich zu einem informativen Vortrag am 20. November 2024 von 17 bis 18 Uhr ein. Unter dem Titel „Stärke dein Herz – Herzschwäche erkennen und behandeln“ erfahren Sie Wissenswertes über die frühzeitige Erkennung und moderne Behandlungsmöglichkeiten der Herzinsuffizienz. Dr. med. Philipp Krauser, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie Oberarzt im Caritas Kardiozentrum Berlin, wird in dem Patienteninformationsabend auf die typischen...

  • Pankow
  • 30.10.24
  • 457× gelesen
WirtschaftAnzeige
Tätowierungen sind eine Kunst mit jahrtausendealter Geschichte, die über Jahrhunderte hinweg die Körper der Menschen schmückte. Doch der Beruf des Tätowierers ist nicht nur kreative Arbeit. Es ist ein anspruchsvolles und faszinierendes Handwerk. | Foto: VEAN TATTOO
3 Bilder

VEAN TATTOO
Tätowierer: einer der gefragtesten Berufe unserer Zeit

Tätowierungen sind eine Kunst mit jahrtausendealter Geschichte, die über Jahrhunderte hinweg die Körper der Menschen schmückte. Doch der Beruf des Tätowierers ist nicht nur kreative Arbeit. Es ist ein anspruchsvolles und faszinierendes Handwerk, das nicht nur künstlerische Fähigkeiten, sondern auch ein tiefes Verständnis des gesamten Prozesses erfordert. In diesem Artikel wird VEAN TATTOO Ihnen die Welt der Tätowierkunst näherbringen und erläutern, warum der Beruf des Tätowierers heute zu den...

  • Mitte
  • 28.10.24
  • 572× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen? Erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Infoabend am 12. November
Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen

Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen, die jeden Schritt zur Qual machen oder Ihnen sogar in Ruhe keine Erholung gönnen? Es muss nicht so bleiben! Besuchen Sie unseren Infoabend "Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen: Schonende & komfortable OP-Methode!" und erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen – schonend, effektiv und ohne Angst vor einem Eingriff. Expertenwissen kommt beim Infoabend am 12. November aus erster Hand: Tariq Qodceiah, Chefarzt...

  • Reinickendorf
  • 01.11.24
  • 305× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 432× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.