Studenten skizzieren ihre Sicht auf die Drehscheibe
"Daumen hoch, wenn ihr mich hört!" Kays Elbeyli steht in der Mitte des Platzes, wehrt sich mit dem Megaphon an den Lippen gegen das Rauschen des Verkehrs. Eigentlich kennt man Kays als Tutor im Fachgebiet Bildende Kunst. Heute ist er der Kommandeur. "Wechsel!" wird er jetzt eine Stunde lang brüllen. Jede Minute aufs Neue bedeutet sein Ruf: nachrücken gegen den Uhrzeigersinn. Nachrücken und aufs Neue nur das malen, was man vor sich sieht.
Jede Minute hechten Iliana, Constanze und ihre Kommilitonen also eine Staffelei weiter, um hier wiederum Kreide und Pinsel anzusetzen, das Werk ihrer Vorgänger ein Stückchen mehr zu vollenden.
Klar, dass bei so einem Gemeinschaftswerk Ansichten auch mal kollidieren können. "Die Perspektive stimmt nicht ganz", heißt es zur Entschuldigung bei der Übergabe. Andererseits erkennt Iliana gerade in der Unvollkommenheit einen besonderen Charme. "Es muss nicht zu 100 Prozent richtig sein. Und es macht schon Spaß, sich ständig neu zu orientieren."
Eine Viertelstunde ist seit dem Beginn von "Roundabout" vergangen, da gewinnen die Motive deutlich an Form. Die Bismarckstraße: eine vielfach überpinselte Schneise. Das Telefunken-Hochhaus: der grau schraffierte Fixpunkt des riesigen Rondells. Bisweilen ist es auch nur ein Baum mit rauschendem Laub, der das Papier beherrscht. Und wer eben noch nach Westen blickte, wird eine halbe Stunde später am Fernsehturm und der Goldelse seiner Vormaler die letzten Striche gezogen haben.
In welchem Rahmen das Ergebnis zu sehen sein wird, das wollen die TU-Studenten noch beraten. Vor einigen Jahren entschied man sich zur Ausstellung der Gemälde. Denkbar wäre diesmal auch die Aufarbeitung in einem Film. Was könnte nun aber der tiefere Sinn sein? Vielleicht ist es der, dass die Erde rund sein mag. Aber der Ernst-Reuter-Platz ist eine Scheibe.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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