Waschbär im Müll, Fuchs in der Kita: Wildtiere erobern Berlin

Furcht vor Fiffis: Überall, wo ihm keine freilaufende Hunde in die Quere kommen, fühlt sich der Fuchs pudelwohl. | Foto: Schubert
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Charlottenburg-Wilmersdorf. Ein Grunzen und Krächzen mischt sich in den Verkehrslärm. Und auf leisen Pfoten pirschen ganze Fuchsfamilien bis ins Berliner Zentrum. Beim Umweltforum der Seniorenvertretung drehte sich alles um die Fragen: Was machen Wildtiere in der Stadt? Und wie geht man mit ihnen um?

Menschen, die reden, schießen nicht. Wenn Wildschweine so etwas wie Allgemeinwissen haben, dann steht dieser Fakt ganz oben. Was also ist zu tun, wenn uns ein Keiler oder eine Bache über den Weg läuft? "Sprechen Sie sie ruhig an", empfiehlt Derk Ehlert. Denn harmlos drauflos plaudernd, sagt der Fachmann der Senatsverwaltung für Umwelt, kennen uns Wildtiere die meiste Zeit. "Nur eins sollten Sie als Mensch nicht machen", warnt Ehlert: "Sich leise vorbei schleichen versuchen. Das könnte Ärger geben."

Schon wieder überraschtes Schweigen im Saal. Verblüffen und Erheiterung gibt es beim Umweltforum der Seniorenvertretung im steten Wechsel. Was Experten des Senats und des Freilandlabors Britz auf Einladung des Vorsitzenden Jens Friedrich hier vortragen, hören die meisten Besucher in dieser Form zum ersten Mal. Über Wildtiere in Berlin wird ja viel geschrieben - aber meistens Boulevard-Geschichten. Wenn der Eber den Mops beißt, ein Waschbär auf dem Fußabtreter schnarcht oder sich ein Wolf am Ku’damm als Husky entpuppt.

Aber was treibt die Tiere ausgerechnet ins Berliner Zentrum? Klar, die Futtersuche. Aber ob das schon alles ist? Ehlert serviert den nächsten Knaller: "Wildtiere mögen Orte, an denen es keine Hunde gibt." Keine Hunde im Stadtzentrum? Ja, sagt Ehlert. Der Grunewald ist voll von freilaufenden Bellos. Aber in der Stadt, da gibt es sie, die schnüffelfreien oder leinenpflichtigen Orte. Die Kitas, Grundschulen, Krankenhäuser, Altersheime und Botschaftsgelände. Überall dort ist die Wahrscheinlichkeit nicht klein, eine fidele Fuchsfamilie zu treffen. "Sie suchen sich genau solche Orte aus, um ihre Jungen zur Welt zu bringen", verrät der Experte.

Mit 20 000 Tier- und Pflanzenarten gilt Berlin als Paradies der heimischen Arten, besteht es doch zu 40 Prozent aus Wald, Wasser und Sumpf. An Menschen stören sich die wenigsten Kreaturen, weiß Ehlert. Was aber nicht bedeutet, dass man animalische Nachbarn füttern oder gar zähmen sollte: "Dadurch passieren die meisten Beißunfälle."

Dafür darf man sich beim Anblick von Waschbären, die das Charlottenburger Schloss hochklettern oder am Rathaus im Baum hocken, ruhig erfreuen, ohne die Feuerwehr zu rufen. "Sie kommen da selbst runter, auch wenn es Stadtmenschen wie Sie nicht glauben." Höchstens bei Waschbären, die sich tagelang in Mülltonnen satt gefressen haben, wäre eine humane Steighilfe angeraten.

Unliebsame Kontakte von Mensch und Tier in Charlottenburg-Wilmersdorf ereignen sich übrigens am häufigsten im Bereich des Friedhofs Heerstraße. Der dortige Sausuhlensee trägt seinen Namen nicht von ungefähr - denn es handelt sich um einen uralten Wildschweinpfad. Hier pendelten Keiler schon zwischen den Forsten, bevor es Westend überhaupt gab. Dass hier inzwischen Autos fahren, hat sich unter Wildschweinen noch nicht rumgesprochen.

Thomas Schubert / tsc

Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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