Strohhalm Online-Kurse
Ballett Centrum steht in der Krise das Wasser bis zum Hals
Durch die Corona-Krise ist die Existenz des traditionsreichen Ballett Centrums Berlin stark gefährdet. Sicher kein Einzelfall, doch für Inhaber Christian Toberentz kommt es knüppeldick.
Seit 32 Jahren existiert das Ballett Centrum bereits. 1994 übernahm es Toberentz mit einem Geschäftspartner, seit 2012 führt er es alleine – und zwar durch Höhen und Tiefen. Erst rettete er die Schule durch die Wirtschaftskrise vor einigen Jahren, überstand dann vor zwei Jahren nur mit Ach und Krach den Auszug aus dem Ku’damm Karree, das der Investor komplett abreißen ließ und gerade neu aufbaut. Am neuen Standort Adenauerplatz fand er zwar aus räumlicher Sicht ideale Voraussetzungen, allerdings sah er sich im Zuge der Umbauarbeiten von der Baufirma betrogen. „Das hätte mich beinahe ruiniert“, sagt der 65-Jährige heute. Nach den üblichen Startschwierigkeiten lief es dann im neuen Domizil recht gut, drei Säle stehen ihm dort zur Verfügung, dazu ein Raum mit einer kleinen Bühne. Jetzt also die Corona-Krise. „Ich kämpfe erneut um das Überleben“, sagt Toberentz.
Besonders wichtig sei das Halten der Vertragskunden. „Auch wenn mir natürlich auch die Barzahler und Tanzschüler mit Zehnerkarte fehlen, sie machen den Löwenanteil meiner Einnahmen aus“, sagt der Steptanz-Lehrer. Kein einfaches Unterfangen, denn für die monatlichen Beiträge konnte Toberentz zunächst nichts bieten, Sportstätten wurden im Zuge der Corona-Krise geschlossen. Also hat er Online-Kurse für die ganze Familie eingerichtet – ein Strohhalm, an den er sich nun klammere, wie er sagt. „So haben meine freiberuflichen Lehrer etwas zu tun“, sagt er. Die dürfen kommen und vor der Kamera unterrichten. Bei weitem aber nicht alle.
Live-Unterricht per Kamera
Um die 30 Tanzlehrer vermittelten vor der Krise unter seinem Dach Kinderballett, Kinder-Jazz, Kinder-Step, Ballett, Jazz, Contemporary, Break Dance und Hip Hop, Commercial, Musical Theatre Dance, „Song & Dance“, Steptanz, Akrobatik, Salsa-Workout, Pilates, Floor Barre und Yoga – vom Anfänger bis zum Profi. Über das Internet ist nun gerade einmal ein halbes Dutzend von ihnen beschäftigt. Seine Kurse hätten allerdings den großen Vorteil, dass sie live gegeben würden. „Der Lehrer sieht die Schüler und kann sofort korrigieren“, sagt Toberentz.
Um den Rest der Tanzlehrer macht sich der Inhaber des Ballett-Centrums ernsthafte Sorgen, vor allem, weil die Soforthilfe des Staates bei ihnen nicht greife. „Die Bundesmittel dürfen nur für Betriebsausgaben verwendet werden. Aber ein Tanzlehrer hat kaum Betriebsausgaben. Er sitzt zuhause auf der Couch und wartet auf Engagements.“ Er selber habe Soforthilfe beantragt und im zweiten Anlauf auch bekommen. „Das deckt in meinem Fall aber gerade einmal die laufenden Kosten eines Monats“, so Toberentz.
Die Online-Kurse liefen immerhin ganz gut an, sagt er. Viele Teilnehmer seien dankbar, dass sie unter Anleitung zu Hause weiter tanzen können und dabei die anderen wenigstens online sehen könnten, und vor allem die Eltern seien froh, dass ihre Kinder eine Beschäftigung und Ablenkung haben. „Auch in den Ferien bieten wir Kurse an.“
Stammkunden sind solidarisch
Toberentz wünscht sich zwar noch mehr Interesse für das neue Angebot und arbeitet an seiner steten Verbesserung. „Das war ja schließlich komplettes Neuland für mich“, gibt er zu. Doch treibt der alternative Unterricht auch bereits schöne Blüten. „Dadurch, dass diese Kurse ortsunabhängig belegt werden können, habe ich schon einige Neukunden gewonnen. Eine Mutter, die mit ihrer Tochter früher bei mir war und dann nach Stuttgart gezogen ist, ist wieder zurückgekehrt“, sagt er. Darüber freue er sich genauso, wie über die Solidarität seiner Stammkunden. „Eine Familie hat von meiner Not erfahren und einfach 1000 Euro gespendet. Das ist unglaublich.“
Jetzt sehnt Christian Toberentz das Ende der Corona-Krise herbei und setzt bis dahin auf weitere staatliche Unterstützung. „Ich kann nur hoffen, dass unsere Regierung ihre Zusage, die Selbständigen und vor allem die Künstler zu unterstützen, doch noch gerecht und wirksam umsetzt, und dass unsere Kulturlandschaft – mein Ballett Centrum eingeschlossen – auch in der Zeit nach der Krise eine Zukunft hat und die zu befürchtende Rezession übersteht. Denn an der Kunst – die Schließungen von Theatern und Kinos sind bereits traurige Berliner Stadtgeschichte – wird leider zuerst gespart.“
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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