Stoffe für die Architektur der Moderne
Bauhaus-Archiv stellt Weberin Otti Berger vor
Die Bauhaus-Weberin Otti Berger ist heute fast vergessen. Unter den Nationalsozialisten fand die Jüdin keine Arbeit. 1944 wurde sie in Auschwitz ermordet. Nun stellt das Bauhaus-Archiv ihr textiles Werk vor.
Otti Berger gilt als eine der bedeutendsten Textildesignerinnen des 20. Jahrhunderts. Sie entwarf Stoffe, die das Verständnis dessen, war Textilien sein und leisten können, grundlegend veränderten. Statt Opulenz kreierte sie schlichte Stoffe, die funktional und industriell reproduzierbar waren. Ihre Polster- und Wandteppiche, Vorhänge und Bodenbeläge definierten das Verhältnis von Ästhetik und Funktion völlig neu. Das lag auch an der engen Zusammenarbeit mit Architekten der Neuen Sachlichkeit wie Lilly Reich, Ludwig Hilberseimer und Hans Scharoun.
Trotz der faszinierenden Ergebnisse blieb Bergers textiles Werk lange Zeit unentdeckt und nur bruchstückhaft erforscht. Nun zeigt die Bildende Künstlerin Judith Raum gemeinsam mit dem Bauhaus-Archiv nach mehrjähriger Forschung eine völlig neue Perspektive auf Bergers Werk. "Otti Berger. Stoffe für die Architektur der Moderne" macht Bergers Schaffen erstmals auf umfassende Weise zugänglich. Judith Raum nähert sich dabei Bergers Werk, indem sie die Stoffe nach ihren Funktionen und Beziehungen zu den architektonischen Elementen Möbel, Fenster, Wand und Boden ordnet.
Zu sehen ist eine neue Videoarbeit neben zwei großformatigen, aufwendig nachgewebten Wandstoffen. Größere Stoffmuster von Berger sind im Original nicht mehr erhalten, weshalb Judith Raum mehrere Textilien der Bauhäuslerin von der Handweberin Katja Stelz hat nachweben lassen. Die kleine Schau begleitet den Band "Otti Berger. Weaving for Modernist Architecture", den Raum herausgegeben hat und der das Werk Berges zusammenfasst.
Otti Berger wurde 1898 in Zmajevac, im österreichisch-ungarischen Kaiserreich, dem heutigen Kroatien geboren. Sie studierte erst in Zagreb und ab 1927 am Bauhaus in Dessau. Nachdem sie ihren Lehrauftrag am Bauhaus aufgegeben hatte, machte sie sich 1932 in Berlin selbständig, um Stoffe für moderne Inneneinrichtungen zu entwerfen. Sie arbeitete für Auftraggeber europaweit und erwarb zahlreiche Patente für ihre technisch herausragenden Gewebe. 1936 bekam Otti Berger wegen ihrer jüdischen Herkunft Berufsverbot. Versuche, nach England und in die USA zu fliehen, scheiterten. Berger wurde von Kroatien aus, wo sie zuletzt bei ihrer kranken Mutter war, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Als Todesdatum ist der 27. April 1944 angegeben, nur ihr jüngerer Bruder überlebte die Shoah.
An Otti Berger erinnert ein Stolperstein vor ihrem Wohnhaus in der Charlottenburger Fasanenstraße 13 – und die Ausstellung im Bauhaus-Archiv. Zu sehen ist sie bis zum 24. August in der Knesebeckstraße 1. Öffnungszeiten sind montags bis sonnabends von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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