"Wir waren niemals im Keller zu Hause"
Buchhändlerkeller ist umgezogen
Er war eine Institution, den sich Literaturfreunde an keinem anderen Ort vorstellen konnten. Nun hat der seit 1976 in den ehemaligen Räumen der Galerie Mikro von Michael S. Cullen in der Carmerstraße 1 residierende Buchhändlerkeller seinen Sitz in den Künstlerhof Alt-Lietzow 12 verlegt. Wie früher ist er auch dort und heute eines nicht – eine Buchhandlung oder etwa ein Keller, sondern ein von Ehrenamtlern in einem gemeinnützigen Verein betriebener Treffunkt für Literaturbegeisterte.
Petra Fléing, 1. Vorsitzende der Freunde des Buchhändlerkellers, ist glücklich, dass ihr Verein, der sein angestammtes Domizil wegen der Kündigung seiner Räume, die künftig wieder zu Wohnzwecken genutzt werden sollen, eine neue Bleibe im Künstlerhof Alt-Lietzow 12 gefunden hat. Auf diesen Ort hinter dem Rathaus Charlottenburg waren Vorstandsmitglieder durch ihren Besuch einer Veranstaltung gestoßen. Was wiederum Brigitte Arndt und Frank Schroedter, ihres Zeichens Betreiber des Künstlerhofes, glücklich machte, die damit einen passenden Nutzer ihrer Räume gefunden haben. Denn den beiden fehlte noch in dem von ihnen nach und nach aufgebauten Kunst- und Kulturprogramm ein institutionelles, nachhaltiges Literaturprogramm. Eine Win-Win-Situation also, wie man heute so sagt.
Dabei kann der Ort, an dem der Buchhändlerkeller nun residiert, auf eine lange und lange Zeit desaströse Geschichte zurückblicken. 1888 vom Kaufmann und Pferdefutterhändler Rudolf Braun als Weißbierbrauerei erbaut, fiel diese 1916 der Lebensmittelknappheit im Ersten Weltkrieg zum Opfer. Doch schon damals gab es durch den später von den Nazis ermordeten Erich Mühsam „Berührungspunkte“ mit der Literatur, denn Mühsam hat laut Adressbuch in den Jahren 1925 und 26 unter dieser Anschrift gelebt. Nach Zerstörungen durch Bomben im Zweiten Weltkrieg und Nutzung der vorhandenen Räumlichkeiten unter anderem als Produktionsstätte der „Bärenliköre“, als Wäscherei und Wohnort vieler Filmschaffender übernahmen dann 1987 die jetzigen Künstlerhof-Betreiber das heruntergekommene Areal, über das sie seit 2017 in Erbpacht verfügen.
Pro Woche zwei bis drei Veranstaltungen
Nun also ist auch der Buchhändlerkeller unter dieser Adresse zu finden, an der der Vorstand, der sich ebenfalls zur Freude von Fléing verjüngt hat, zwei bis drei Veranstaltungen pro Woche organisiert. Wie bei vielen kulturellen Angeboten schwankt dabei die Zahl der Besucher stark: Manchmal genügt schon ein "Stuhlkreis", bei bekannten Autoren wie Durs Grünbein hingegen reichen die Plätze auf den alten Autobussitzen nicht aus, so dass in einen zur Verfügung stehenden Nebenraum Ton und Bild übertragen werden müssen. Unter den Gästen finden sich neben den Mitgliedern des gemeinnützigen Vereins, die mit jährlich 60 Euro die Arbeit ihrer Institution unterstützen, viele der über einen großen Mail-Verteiler mit 4000 Adressen Angeschriebenen.
Die erwartet dann dienstags eine Veranstaltung aus inzwischen bewährten Reihen wie „Literatur und Fernsehen“, „Fundstelle und Spurensuche“, „Zur Sache“ oder „Wiedergelesen“ mit philosophisch-literarischen Grenzgängen. Donnerstags ist dann der Vorstellung und Lesung aktueller deutschsprachiger Literatur mehr oder weniger bekannter Verlage vorbehalten. Parallel dazu werden Kunst- oder Fotografie-Ausstellungen während der Öffnungszeiten gezeigt. Um möglichst vielen Menschen den Besuch ihrer Veranstaltungen zu ermöglichen, die in der Regel jeweils um 20 Uhr beginnen, belaufen sich die Eintrittsgelder normalerweise auf sieben, ermäßigt vier Euro. Ausnahme von dieser Eintrittsregel: Am Sonnabend, 17. Februar, startet um 18 Uhr eine große Willkommensfeier mit freiem Eintritt und einer Tombola, bei der jedes Los zum Preis von sieben Euro ein von Verlagen gestiftetes Buch gewinnt.
Autor:Uwe Lemm aus Mahlsdorf |
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