Eine Reise ins Blaue: Das Geheimnis der Gedächtniskirche ist die doppelte Wand

Gotteshaus mit Geheimgang: In diesem Spalt erzeugen LED-Leuchten einen Schein, den man auf der anderen Seite als blaues Strahlen empfindet. | Foto: Thomas Schubert
  • Gotteshaus mit Geheimgang: In diesem Spalt erzeugen LED-Leuchten einen Schein, den man auf der anderen Seite als blaues Strahlen empfindet.
  • Foto: Thomas Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Charlottenburg. Wer allabendlich den blauen Schein bewundert, dürfte es sich insgeheim gefragt haben: Wie viele Fenster hat sie eigentlich, die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche? Um die Zahl zu ergründen und das Ergebnis zu verstehen, muss man einen Blick werfen auf die äußere Wand – und die innere.

22 790 Fenster – und keines gleicht dem anderen. Glockenturm, Kapelle und die Kirche selbst, sie alle sind überzogen mit blauen Kästchen in schwindelerregend hoher Zahl. Und das Geheimnis des blauen Scheins? Es liegt verborgen in einem Geheimgang, den die wenigsten Kirchenbesucher kennen. Man nehme eine Leiter neben der Orgel und trete ein in den Spalt zwischen innen und außen.

Grober Kies knirscht unter den Sohlen, sobald man den Hohlraum betritt. Und sofort dämmert die Erkenntnis. Dies also ist der Ort, an dem die Gedächtniskirche ihr Licht erzeugt. Die Quelle des Glanzes in der Dunkelheit. Unweigerlich geht der Blick nach oben. Man ermisst die Weite des hohen Spalts zwischen den beiden Wänden. Tatsache: Es sind zwei. Eine mit kleinen Mosaikfeldern, eine äußere mit großen. Dazwischen liegt ein Gewirr von Leitungen, Rohren – und grellen weißen Leuchten.

Wie blaues Licht entsteht

„Hier können Sie also erkennen, wie das blaue Licht entsteht“, erklärt Kirchenführer Björn Kienke. Er weist auf die LED-Strahler, die in beide Richtungen wirken. „Früher waren es große Glühbirnen, die extrem viel Strom gefressen haben. Heute sind es LEDs.“ Dass Egon Eiermann bei der Erbauung des neuen Ensembles aus Kirche, Glockenturm und Kappelle auf den Schein der blauen Fenster setzte, kam nicht von ungefähr. „Blau ist Ausdruck des Versöhnungsgedankens“, sagt Kienke. Als Mahnmal gegen den Krieg muss der Sakralbau mehr leisten als nur vom göttliche Wirken zu künden. Die Mitgliedschaft in der Nagelkreuz-Gemeinschaft von Coventry, das Aussöhnen nach den Kriegswirren, verpflichtete die Kirchenbauer in den 50ern zu besonderen Ausdrucksformen beim Wiederaufbau des Wahrzeichens.

Gabriel Loire verewigt

Gabriel Loire hieß der Künstler, der die Tausenden Glasfenster entwarf. Alle blau. Alle Unikate. Als Dank dafür, dass er jedem Mosaikstück ein eigenes Muster gab, durfte Loire seinen Namen in ein gut sichtbaren Innenfenster prägen lassen. „Dass so kurz nach dem Krieg ein Franzose bei diesem Bauvorhaben Hand anlegte, galt als Zeichen der neuen deutsch-französischen Freundschaft“, betont Kienke. Blau als Farbe der Glaskunst im kriegsverwüsteten Nachbarland. Blau als Farbe des Wiederaufbaus am Berliner Breitscheidplatz.

Einige Wegbiegungen weiter erblickt man schließlich ein Innenfenster, das erst nachträglich entstand. Es trägt die Initialien „EI“. Ein Tribut an Egon Eiermann, angebracht nach dessen Tod. Für den unerfahrenen Beobachter nicht leicht zu finden, aber „sobald Sie die Buchstaben in den blauen Mosaiken einmal entdeckt haben, springen sie jedes Mal ins Auge“, verspricht Kienke. Es gibt manches, was dem Kirchgänger im neuen Lichte erscheint nach dem Spaziergang zwischen blauen Wänden. tsc

Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 313× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 622× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 599× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 1.008× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.