Fotograf Gottfried Schenk zeigt Umbruch im Klausenerplatz-Kiez der 70er und 80er
Charlottenburg. Zeitgeschehen mit den Augen Zilles sehen – dieses Anliegen setzte Gottfried Schenk fotografisch um. Nun widmet ihm die Villa Oppenheim eine Sonderschau und rahmt seine Bilder als Zeugnisse eines wilden Kapitels der Charlottenburger Geschichte.
Grau-braun waren die Fassaden, rebellisches Gebaren der Anwohner gehörte zur Selbstverständlichkeit. Und in den Straßen des Arbeiterviertels am Klausenerplatz tummelte sich Ende der 70er, Anfang der 80er ein buntes Völkchen, nicht unähnlich dem Zilleschen „Milljöh“.
„Pinselheinrich“ wohnte ja einst nebenan in der Sophie-Charlotten-Straße 88. Und seine Art, die kleinen Leute zu zeigen, als Maler und Fotograf, färbte ab auf einen spät berufenen Bewohner des Kiezes: Gottfried Schenk, 1976 zugezogen aus Tirol, Student und Beobachter. Als Fotograf ein Autodidakt – aber hinsehen konnte er wie in Profi. Und was sein Auge in Hinterhöfen und zwischen maroden Mietskasernen erspähte, was sein Finger am Auslöser vor der Vergessen bewahrte, findet sich jetzt zum einen in seinem Fotobuch „Charlottenburgs rote Insel“.
Auf den Spuren von Heinrich Zille
Zum anderen in der Villa Oppenheim. Hier zeigt das Museum Charlottenburg-Wilmersdorf derzeit eine Auswahl von Schenks Bildern in der Sonderschau „Auf den Spuren von Heinrich Zille – Kiezfotografien 1976-1984“. Dass Altmeister Zille den Fotokünstler inspirierte, darauf weist Schenk auch ausdrücklich hin. „Er lieferte eine Blaupause für meine Ambitionen“, bestätigt der frühere Mitarbeiter des Bundesamts für Materialforschung. Seine Fotos zeigen grimmige Großmütter am Fenster, Remisen in verfallenen Höfen, Umzugskisten mit ratlosen Besitzern auf der Straße. Porträts von Punks wechseln in der neuen Schau mit Bildern von Markständen und Straßenfesten. Selbst ein Herr, der Zille ähnlich sieht, stolziert paffend übers Pflaster.
Die späten 70er waren Zeiten des Umbruchs, der Ungewissheit und des Protests. Als der Senat den Kiez zum Sanierungsgebiet erklärte, gründeten sich kritische Initiativen. Schenk musste selbst sehen, wo er bleibt, als er in eine „Umsetzwohnung“ zog, während sein eigentliches Zuhause hinter Baugerüsten verschwand. Es kam schließlich zur sanften Modernisierung. Zu einer Stadterneuerung ohne Abrissbirne, die ein neues Zeitalter bedeutete. Von da an war der Erhalt von Gründerzeitbauten geschätzt, und Schenk lebte in seiner fertig sanierten Wohnung noch viele glückliche Jahre.
Ein Grund, weshalb sich Sabine Witt, die Museumsleiterin, für Schenks Fotos zu interessieren begann. Sie entdeckte die Werke im Rahmen eines Dia-Abends beim Kiezbündnis Klausenerplatz und fand darin Heinrich Zilles Bildersprache neu interpretiert. Und nicht nur die ästhetische, sondern auch die geschichtliche Komponente passt. Mit der Ausstellung in der Villa Oppenheim werden die Bilder endgültig zu Dokumenten der jüngeren Zeitgeschichte Charlottenburgs. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.