Wenn es still bleibt beim Konzert
Gebärdenchor gibt Adventsvorstellung in Gedächtniskirche

Beim Gebärdensprachfestival 2006 hat der Berliner Gebärdenchor die "Bronzene Hand" gewonnen.  | Foto: GL-Gemeinde Berlin
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Ein Adventskonzert in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, und doch ist es mucksmäuschenstill? So wird es kommen am Sonnabend, 1. Dezember. Der Berliner Gebärdenchor der Evangelischen Gehörlosengemeinde ist nämlich zu Gast.

„Es ist für Hörende schon etwas befremdlich“, beschreibt Pfarrer Roland Krusche die Atmosphäre bei einem Auftritt der achtköpfigen Formation. Gut vorstellbar, schließlich implizieren die Worte „Konzert“ und „Chor“ akustischen Genuss – und den gibt es eben nicht. Kein Gesang, keine Orgel, bestenfalls sind Atemgeräusche, unbeabsichtigte Lacher oder Wortfetzen zu hören, wenn sich die Mitglieder des Ensembles zwischen den Liedern Anweisungen geben oder mal etwas misslingt. „Als Hörender muss man sich darauf einlassen und dann ist das auf jeden Fall ein tolles Erlebnis“, sagt der Geistliche. Krusche ist Pfarrer der Lukas-Gemeinde in der Bernburger Straße, er begleitet das Projekt schon lange. „Vor fast 20 Jahren hat sich der Chor gegründet. Die Mitglieder kommen aus allen Teilen Berlins. Geprobt wird bei uns, für die Auftritte reisen wir durch die ganze Stadt und das Umland. Einmal im Monat haben wir einen Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Kirche. Da lag das mit dem Adventskonzert nahe.“

Gebärden-Poesie

Gebärden-Poesie nennt sich das, was die Zuschauer zu sehen bekommen. Eine Mischung aus Gebärden und Pantomime, die ganz eigene Interpretationsarten ermöglicht. „Man kann fließend darstellen, abgehackt oder die Bewegung abrupt stoppen. Es lässt sich zurückzuspulen oder Gebärden an den nächsten weitergeben. Wirklich spannend“, erklärt Krusche. Ein Konzert besteht also aus mehreren kleinen Choreografien. Eines der Chormitglieder übernimmt den Part des Souffleurs, es gibt den Takt und das Tempo vor. Auf der anderen Seite gibt es auch Grenzen für den Gebärdenchor. „Die Lieder dauern nur zwei bis drei Minuten, also kein Vergleich zu einer Arie des Weihnachtsoratoriums. Das Ensemble wollte mal die Entstehung der Menschheit spielen, acht, neun Minuten lang. Wir haben dann festgestellt, dass das für die Zuschauer sehr ermüdend ist. Es braucht schneller eine Pause und dann wieder einen neuen Impuls, also ein neues Lied.“ Und auf noch etwas muss der Gebärdenchor verzichten: „Der Kanon. Das sieht einfach nicht aus.“

Weil Gehörlose – so sagt Krusche – mit der ständigen Befürchtung leben, Hörende könnten sie nicht verstehen, werden die Moderationsteile während des Konzertes übersetzt und erklärt, um was es in den Liedern geht. „Meiner Meinung nach müsste das gar nicht sein. Man lässt sich ja auch eine Ballett-Aufführung nicht erklären.“

Erstmalig gibt der Berliner Gebärdenchor ein Adventskonzert in der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz. Beginn ist am 1. Dezember um 18 Uhr, Einlass ab 17.30 Uhr. Zwischen dem Ein- und Auszug des Ensembles mit Kerzen werden 90 Minuten liegen. Hörende ohne Gebärdensprachkompetenz brauchen keine Scheu haben, über eine Power-Point-Präsentation sind die Texte mitzuverfolgen. Der Eintritt ist frei.

Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

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