Globe-Theater: Extravaganter Spielort im Österreichpark geplant
Ein Globe-Theater, bespielt von einem festen Ensemble – das wäre mehr als ein Coup. Es wäre bundesweit ein Alleinstellungsmerkmal. Und der Bezirk und Christian Leonard, Chef der Shakespeare Company Berlin, planen, genau so ein Theater im Österreichpark aufzubauen.
Fast überfallartig stürmten Kulturstadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD) und Christian Leonhard die jüngste Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses im Rathaus, um das Projekt vorzustellen: eine Holzkonstruktion als Spielort für Aufführungen von William Shakespeares Werken, ganz nach den originären Vorstellungen des berühmten Dramaturgen höchstpersönlich.
"Einzigartige Atmosphäre"
Im Österreichpark, südlich der Sporthalle Charlottenburg an der Sömmeringstraße und nördlich der Spree platziert, bietet dieses ganz spezielle Theater auf drei Ebenen Platz für 600 Zuschauer. Eine quadratische Bühne reicht bis in die Mitte des kreisrunden Grundrisses, zur Decke hin schließt sich der Innenraum wie in einer Kugel. Von jedem Platz ist die Entfernung zu den Künstlern auf der Bühne gleich kurz, das sorgt laut Christian Leonard für eine „einzigartige Atmosphäre“. „Bauweise und Betrieb nach Shakespeares Vorbild“, schwärmt er. „Für diese Form der Bühne hat er seine Werke geschrieben.“
Auf die Frage nach dem Wo könnte es durchaus eine positive Antwort geben. Der Kulturausschuss nickte am 9. Januar die Idee einstimmig ab und auch im Stadtentwicklungsausschuss am 10. Januar gab es von allen Fraktionen Wohlwollen.
Ursprünglich hatte er freilich nicht damit gerechnet, dass es so lange dauern würde, einen geeigneten Standort zu finden. Mit fast 19 Jahren Wartezeit liegt er aber noch recht gut im Rennen, wie er mit einer Anekdote belegt: „In London wollte Sam Wanamaker Ende der 1960er-Jahre ein Globe-Theater bauen. Gut 30 Jahre später – 1999 – war es dann so weit, das hat er leider nicht mehr erlebt.“
Lange Suche nach einem Standort
Leonard hat 1999 die Shakespeare Company Berlin gegründet – unter drei Aspekten. Zum einen hatte er die Weiterentwicklung seines Ensembles im Visier, zum anderen wollte er den kulturellen Austausch mit den Partnerstädten forcieren und zum Dritten – ganz genau – dank der Errichtung eines Globe-Theaters seiner Schauspieltruppe ein angemessenes Zuhause zu bieten. Dieses letzte Ziel scheiterte bislang an der Standortsuche. Den ersten Auftritt hatte die Shakespeare Company im Jahr 2001 beim Museumsinsel-Festival, seither tingelt das Ensemble durch Deutschland, spielte in Berlin erst in der Klosterruine, im Pfefferwerk und im Heimathafen. Von 2004 bis 2006 hatte die Company einen festen Spielort in der Hauptstadt. „Shake! – Das Theaterzelt am Ostbahnhof“ hieß das Projekt, für das Leonard zum ersten Mal ordentlich Geld in die Hand nahm. Seit 2011 und bis heute ist das Ensemble im Naturpark Schöneberger Südgelände zugange, und das mit Erfolg. „Zu Beginn hatten wir 1500 Besucher pro Saison, heute sind es 15 000. Und wir spielen ja nur von Mitte Juni bis Mitte September“, sagt der Filmschauspieler, der wegen der Realisierung seines Traums die eigene Karriere längst an den Nagel gehängt hat. Die zeitlich begrenzte Spielzeit im Naturpark hat einen Grund: kein Dach über dem Kopf. „Wir sind dort vom Wetter abhängig.“
"Zusammen können wir es schaffen"
Neu ist das Verlangen nach einem Standort also nicht. Dass es jetzt gestillt werden könnte, hat mit dem Engagement von Kulturstadträtin Heike Schmitt-Schmelz zu tun. „Ich habe sie im Spätherbst 2017 angeschrieben. Sie war sehr angetan von der Idee, besuchte unsere Vorstellung von Shakespeare’s ,Wintermärchen’ und stand einen Tag später mit dem Standort an der Spree auf der Matte. Ihre Motivation, ihr Fleiß und ihre Vernetzung sind ein Glücksfall für das Projekt, zusammen könnten wir es schaffen“, sagt Leonard. Nicht nur die Nähe zum Wasser entspricht den Ansprüchen des umtriebigen Theatermachers. Der Standort am Rand der Mierendorff-Insel ist auch gut an die öffentlichen Verkehrsmittel angebunden. Niederschlag wäre übrigens auch kein Thema mehr: Leonard möchte sein Globe-Theater mit einer schließbaren Deckenkonstruktion versehen.
Das führt zu der Frage nach dem Was. In Deutschland gab es bislang nur drei Globe-Theater, in dem in Bezug auf Shakespeare-Aufführungen einzig nennenswerten in Schwäbisch Hall spielte die Company regelmäßig. Als es dort nicht mehr weiterging, sollte das in modularer Bauweise errichtete Holztheater weggeschmissen werden. Leonhard intervenierte und ließ die Konstruktion auf einem Industriegelände in Marienfelde einlagern. Bis auf die gewaltigen Leimbinder. Das sind gewaltige Säulen, fast 15 Meter lang und fünf Metern im Durchmesser. „Die sind noch in Schwäbisch Hall gelagert und müssten dann per Sondertransport nach Berlin gebracht werden“, sagt Leonhard. Die gesamte Konstruktion dann wieder aufzubauen, gehe schnell. „Dieses Globe-Theater ist schon einmal in zwei Wochen aufgestellt worden.“ Gerne würde Leonard schon im kommenden Sommer eröffnen, das liege aber nicht nur in seiner Hand. Sein Lebenstraum kostete bislang nicht wenig Geld, die Umsetzung des letzten Schrittes würde für ihn mit 850 000 Euro zu Buche schlagen.
Begegnungsstätte für alle
Für ihn eine lohnende Investition, unabhängig davon, ob sie finanziell Gewinn nach sich zieht. „Wir wollen nicht nur Shakespeare am Abend und mittags im englischen Original für Schüler aufführen. Das Globe-Theater soll eine Begegnungsstätte werden, soll anzumieten sein für Workshops, soll Integrations- und Friedensarbeit mit künstlerischen Mitteln leisten.“ Vor allem soll es aber eines sein: ein einzigartiger Spielort. Eine Bühne, von der aus die Schauspieler in drei Richtungen spielen müssen. „Die Nähe zum Geschehen auf der Bühne ist fantastisch. Es ist die demokratischste Form des Theaters, weil alle eingebunden sind. Wird es spannend, ist es mucksmäuschenstill, gibt es einen Witz, wirkt das Lachen ansteckend“, sagt Leonard. Wie der Holzbau selber, soll auch das inhaltliche Konzept des Globe-Theaters auf stabilen Säulen stehen. "Schauspiel, Wortkunst und Weltmusik", sagt Leonard und meint damit zeitlos moderne Shakespeare-Klassiker, Dichterlesungen und Poetry Slams sowie Konzert- und Tanzabende.
Sollte die BVV dem Bauantrag zustimmen und damit endlich den Konjunktiv aus Leonards Lebenswerk verbannen, werden auf jeden Fall noch die Anwohner ins Boot geholt. „Wenn es noch Bedenken gibt, dann wegen der Parkplatzsituation“, sagt Heike Schmitt-Schmelz. „Wir beraumen deshalb zeitig eine Einwohnerversammlung an.“
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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