Leseratten im Klausenerplatz-Kiez lieben die "Bücherzelle"

"Bloß keinen Simmel!" Marita Alhado, regelmäßige Nutzerin der "Bücherzelle", auf der Suche nach Lektüre in der "Bücherzelle". | Foto: Matthias Vogel
  • "Bloß keinen Simmel!" Marita Alhado, regelmäßige Nutzerin der "Bücherzelle", auf der Suche nach Lektüre in der "Bücherzelle".
  • Foto: Matthias Vogel
  • hochgeladen von Matthias Vogel

Charlottenburg. Quasi im Vorbeigehen das ausgelesene Buch ins Regal stellen und neue Literatur einpacken, ohne Büchereiausweis, ohne Leihfrist, ohne Gebühr – die „Bücherzelle“ in der Seelingstraße macht es möglich.

Die Idee, eine der ausgedienten Telefonzellen zu einer Tauschbörse für Lesestoff umzufunktionieren, ist nicht neu. Nicht in Berlin an sich und auch nicht im Kiez rund um den Klausenerplatz. In der Danckelmannstraße lief einst eine Art Modellprojekt, leider ohne Erfolg. „Weil sich niemand darum gekümmert hat“, erinnert sich Harald Marpe. Um die „Bücherzelle“ gleich neben der Biobäckerei "Brotgarten" kümmert sich wer, nämlich er selbst. Marpe sitzt nur etwa 100 Meter entfernt von der Mini-Bücherei im Büro des Kiezbündnisses Klausenerplatz. Er geht täglich rüber und sieht nach dem Rechten. In zweieinhalb Jahren – so lange steht die ausrangierte Telefonzelle schon – hat er mehrere Feststellungen machen können: Zunächst einmal, dass das Konzept funktioniert. „Es ist erstaunlich, aber täglich wechselt der Bestand. Es wird fleißig getauscht, die Bücherzelle wird gut angenommen“, sagt er.

Keinen Müll entsorgen

Dass die Leute ab und an den Zweck entfremden und Teddys, alte Vasen, Jeans und Puzzles zum Tausch anbieten, findet Marpe nicht schlimm. „Kleinigkeiten, die zu verkraften sind. Und in der Regel bringen wir die Sachen ja auch immer an den Mann.“ Als „unverschämt“ empfindet er hingegen, wenn die Kiezbewohner alte, dreckige Bücher einstellen. „Da sind dann auch noch Spinnweben drauf, so etwas möchte doch kein Mensch lesen.“ Und dann müsse er noch darauf achten, dass die Zelle nicht mit Plakaten von Veranstaltungen aus anderen Bezirken zugepflastert werde. Das Gerücht, die „Bücherzelle“ sei erst vor Kurzem verwüstet worden, bestätigte Marpe nicht. "In der Anfangszeit ist sie zweimal ausgeräumt worden, ich denke, von irgendeinem fehlgeleiteten Buchhändler. Ansonsten ist nichts passiert.“

Marita Alhado ist gerade in der "Bücherzelle" und sucht nach neuer Lektüre. Den Simmel stellt sie schnell wieder zurück ins Regal. „Den mag ich nicht“, sagt die Seniorin, die oft vorbeikommt. Sie mag die Einrichtung, aber ein bisschen Kritik wird sie auch los: „Die Auswahl könnte schon besser sein.“

Bezahlt hat die alte Telefonzelle übrigens der Bezirk. Aus einem alten Lager der Post nach Berlin gebracht wurde sie dann vom Kiezbündnis Klausenerplatz. Und was so einfach und romantisch klingt, unterliegt in Deutschland natürlich auch der Bürokratie. Es gibt eine Art Nutzungsvertrag mit dem Bezirk. „Sie steht ja auf öffentlichem Straßenland“, sagt Marpe. Ein großer Geist stört sich nicht daran, zumal der Vertrag kürzlich ganz offiziell bis 2020 verlängert wurde. maz

Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

7 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Schonende Verfahren für Ihre Rückengesundheit werden am 19. März vorgestellt. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Informationen für Patienten
Minimal-Invasive Wirbelsäulenchirurgie

Leiden Sie unter anhaltenden Rückenschmerzen oder Wirbelsäulenbeschwerden? Moderne minimal-invasive Operationsverfahren ermöglichen eine schonendere Behandlung mit schnelleren Genesungszeiten. Erfahren Sie mehr über innovative Therapiemöglichkeiten bei unserem Infoabend mit Dr. (Univ. Kermanshah) Kamran Yawari, Teamchefarzt des Caritas Wirbelsäulenzentrums. In seinem Vortrag erläutert er die Vorteile minimal-invasiver Wirbelsäulenchirurgie und zeigt auf, wann und für wen diese Methoden sinnvoll...

  • Reinickendorf
  • 18.02.25
  • 249× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es gibt und wie moderne Behandlungsmöglichkeiten helfen können.  | Foto: pixel-shot.com, Leonid Yastremskiy

Proktologie: Ende gut, alles gut!

Unser Darm ist mit seinen 5 bis 7 Metern Länge ein wahres Wunderwerk unseres Körpers. Doch wenn es am Ende des Darms zu Erkrankungen kommt, kann das die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen – auch wenn man es nicht sieht. Aus Scham werden diese Probleme oft verschwiegen, dabei gibt es in den meisten Fällen gute Behandlungsmöglichkeiten. Wir laden Sie herzlich zu unserem Informationsabend ein! Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es...

  • Reinickendorf
  • 19.02.25
  • 214× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Patienten fragen
Steine in der Gallenblase – was nun?

Gallensteine sind ein häufiges, aber oft unterschätztes Gesundheitsproblem. Etwa jede fünfte Person in Europa ist betroffen, und fast die Hälfte entwickelt im Laufe des Lebens Beschwerden. Diese äußern sich meist in Form von wiederkehrenden Schmerzen, insbesondere im rechten Oberbauch. In einigen Fällen können Gallensteine zu ernsthaften Komplikationen wie einer Entzündung der Gallenblase führen. Die bevorzugte Therapie bei Beschwerden ist die operative Entfernung der Gallenblase – in der Regel...

  • Reinickendorf
  • 12.02.25
  • 599× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Informieren Sie sich über Intensivmedizin. | Foto: 2022 Tomasz Kuzminski

Infoabend am 11. Februar
Grenzen und Möglichkeiten der Intensivmedizin

Die Intensivmedizin hat erstaunliche Fortschritte gemacht und bietet schwerstkranken Patienten Überlebenschancen, die früher undenkbar waren. Doch wo liegen die Grenzen dieser Hochleistungsmedizin? Welche technischen, personellen und ethischen Herausforderungen gibt es? Besuchen Sie unseren Infoabend mit Priv.-Doz. Dr. Stephan Kurz und erfahren Sie, wie intensivmedizinische Maßnahmen Leben retten, aber auch komplexe Entscheidungen erfordern. Was geschieht, wenn Therapieoptionen ausgeschöpft...

  • Reinickendorf
  • 29.01.25
  • 1.189× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.