Mätresse, Mutter, Muse: Villa Oppenheim würdigt Gräfin Lichtenau
Charlottenburg. Sie war eine Frau mit drei Namen und noch mehr Gesichtern – eine überraschend mächtige und moderne Preußin: Gräfin Lichtenau gebar Friedrich Wilhelm II. ein halbes Dutzend Kinder, beflügelte seine Fantasie. Nun steht sie erstmals selbst im Schlaglicht.
Wäre es eine Geschichte aus unserer Zeit, man müsste von einer Teenagerliebe sprechen, von ihrem plötzlichen Bruch und von einer Verwandlung in die Verbundenheit von „besten Freunden“. Doch die Liebe von Wilhemine Enke und Friedrich Wilhelm II. entsprang den Gegebenheiten einer verflossenen Epoche. Ihre Aktualität beweist wiederum das Museum Charlottenburg-Wilmersdorf in der Villa Oppenheim.
Wilhemine Enke, 1753 geboren und 1820 als Gräfin Lichtenau gestorben, zwischenzeitlich auch bekannt als Madame Ritz, schenkte dem Preußenkönig nicht nur eigene Kinder, sie zog auch seine übrigen Sprösslinge groß. „Patchwork“-Familie würde man heute sagen. Doch die Gräfin, das zeigt die neue Sonderschau „Ein Leben für die Liebe & die Kunst“ sehr deutlich, war mehr als Mätresse und Mutter. Sie wirkte dank Stilsicherheit und Machtinstinkt auch als Muse, gestaltete das Innere der königlichen Bauten und sorgte dafür, dass das hölzerne Schloss auf der Pfaueninsel sich so schneeweiß gestrichen präsentiert, wie wir es heute kennen.
„Sie war diejenige, die viele namhafte Wissenschaftler an den Hof brachte“, erklärt Kulturstadträtin Dagmar König Lichtenaus Wirkung. Wohnhaft in einem eigenen Palais zwischen der heutigen Wilmersdorfer Straße und der Spree, hinterließ sie beim Hochadel Eindruck, was einer Bürgerlichen eigentlich nicht gebührte. Impulsiv, eigenwillige, selbstbewusst – so steht Lichtenau im Gegensatz zu den großen Herrscherinnen, die derzeit im Theaterbau von Schloss Charlottenburg ins Bewusstsein gerufen werden.
„Dort wäre Gräfin Lichtenau ein Störfaktor“, begründet Kurator Alfred P. Hagemann eine gesonderte, aber zeitgleiche Würdigung dieser Grand Dame. Trotz oder gerade wegen der exzentrischen Wesenszüge und dem Herz für Kinder sei sie eine „typische Berlinerin“. Und was sich über ihre Lebensstationen sagen lässt, das führt Museumsleiterin Sabine Witt den Besuchern anhand von verschiedenen Themeninseln vor Augen. Nicht zuletzt die Italienreise (abgehandelt in einer der Inseln) prägte Lichtenaus Sinn für Ästhetik. Und darin glich sie immerhin einem anderen Schöngeist mit weitreichende Einfluss: Goethe. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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