Neue Fotoschau: C/O Berlin widmet sich dem gewissen Etwas
Charlottenburg. Was heißt eigentlich „Allure?“ Das ist leichter gezeigt als gesagt. Ausgewählte Beispiele dafür, wie Menschen auf Fotos Anziehungskraft entwickeln, präsentiert nun C/O Berlin. Ausstrahlung startet demnach beim weggewandten Kopf – und endet bei den Füßen.
Augenkontakt braucht ein Vorspiel. Die kalte Schulter, den absichtlich dargebotenen Rücken, den Blick, der vor demjenigen des Betrachters flüchtet. All das ist „Allure“. Ein sehr französisches Wort für eine schwer fassbare Eigenschaft. Sie beginnt also bei der Versagung der direkten Betrachtung und geht unter der Gürtellinie nicht minder geheimnisvoll weiter: das wohlgeformte Bein. Der Damenschuh. Die vom Kopf weit entfernt liegenden Merkmale der Schönheit – auch sie schaffen „Allure“. Es ist diese besondere Ausstrahlung, der C/O Berlin jetzt nachspürt in einer Sonderschau, die ganz große Fotografenpersönlichkeiten wie Robert Mapplethorpe, David LaChapelle und Elliott Erwitt mit weltberühmten Schönheiten wie Marlene Dietrich, Kate Moss und Grace Kelly über Kreuz setzt.
Magischer Moment
Hinter und vor der Kameralinse arbeiteten also Könner am Darstellen des „unfassbaren Hauchs“. Felix Hoffmann, der Kurator der Fotostiftung C/O Berlin, konnte beim Umsetzen dieses schwierigen Themas auf eine glückliche Fügung bauen. Denn die Schweizer Kunstsammlerin Susanne von Meiss lieh dem Berliner Fotohaus eine Fülle von sehr verschiedenen Werken, die man einzeln kaum beschaffen könnte. „Allure ist für mich der magische Moment, das Geheimnis“, erklärt von Meiss den Witz ihrer Bilder.
Das verführerische Geheimnis – es ist René Groebli wohl vertraut. In den 50ern fotografierte dieser Künstler seine eigene Frau in den Flitterwochen und packte die Ergebnisse in ein Buch namens „Das Auge der Liebe“. Ein Werk, das heute kaum an den Grenzen der Softerotik kratzen würde. Aber damals stockte dem Verleger der Atem – so dass Groebli sein Büchlein selbst herausgeben musste. Früher verpönt, heute geehrt und in der C/O Berlin präsentiert. So geht das bei der Darstellung des gewissen Etwas. Gröbli, inzwischen 90 Jahre alt, übt heute Nachsicht mit den damaligen Kritikern, wenn er in der „Allure“-Ausstellung vor seinen Fotos Haltung annimmt. Und dann sagt er: „Meine Bilder zeigen nichts Unanständiges. Aber vermutlich ist danach noch etwas passiert.“ tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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