Neue Stolpersteine halten Andenken an jüdische Bürger wach
Und wieder hat sich Gunter Demnig hingekniet. Vor ihm: die Pforte des Kurfürstendamm 177. Dicht um ihn herum: Kinder der jüdischen Heinz-Galinski-Schule, Passanten und die Stifter der Steine.
Sein markanter grauer Hut hält Demnigs Gesicht im Schatten, während er mit schwieligen Händen Erinnerungen ins Pflaster drückt. Grundlagenarbeit im buchstäblichen Sinne. Name, Geburtsjahr und Verbleib - das weisen auch diese neuesten Stolpersteine aus. Hier wird nun niemand mehr vorübergehen können, ohne das Andenken an Dr. Hans Max Grünberg und seine jüdische Familie aufblinken zu sehen. Vor nationalsozialistischer Verfolgung flohen sie 1933 über Belgien, Spanien, die Schweiz und Italien ins ferne Chile, kamen gejagt von braunen Ideologen mit dem Leben davon. "Das ist in Berlin ein Präzedenzfall", sagt der rheinländische Künstler. Bislang sei es ihm nur dort gestattet worden zu pflastern, wo es auch Tote zu beklagen gab. "An anderen Orten ist das schon lange Konsens." Generell falle der Beistand in Berlin eher müde aus. Handwerkliche Hilfe stelle man ihm so gut wie nie. "Und den Schutt, den muss ich selbst irgendwo entsorgen."
Helmut Lolhöfel, Koordinator der rund 20-köpfigen Stolperstein-Initiative in Charlottenburg-Wilmersdorf, hat sich mit dem Künstler auf einen Grundsatz geeinigt. Ob Vertreibung oder Ermordung von Juden vorliegt, soll nicht im Vordergrund stehen. "Was wir dokumentieren wollen, sind Familienschicksale", erklärt Lolhöffel. An seiner Seite zeigt Bürgermeister Reinhard Naumann kurz vor einer Israelreise seine Sympathie für das Projekt, begrüßt Hinterbliebene aus Amerika. "Berlin", sagt er, "steht für ein friedliches Miteinander nach der Schoah."
Kurz darauf fährt Demnig seinen roten Lieferwagen ein Stück stadteinwärts. Kurfürstendamm 185. Die nächste Adresse mit schwieriger Historie. US-Bürgerin Joanne Intrator, Enkelin des auf der Flucht verstorbenen Jacob Intrator und seiner Frau Rachel, beginnt zu weinen, als Demnig seine Hacke ins Pflaster stößt. Wortlos verrichtet er sein Werk. Nur wenige Minuten dauert es, dann glänzen wieder zwei neue Stolpersteine auf dem Boulevard. Demnig reibt noch einmal über das Messing. Eine liebevolle Geste nach der groben Arbeit. Dann hastet er gerade noch rechtzeitig zu seinem Wagen, bevor er ein Knöllchen erhält. Diskussionen nutzen nichts - der Wagen voller Werkszeug soll sofort weg. Nein, Berlin ist für ihn kein leichtes Pflaster.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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