„Sorry, dass es so viel ist“: Anton Corbijns Lebenswerk in der C/O Berlin
Charlottenburg. Es begann mit Fotos, die er unaufgefordert an eine Zeitschrift sandte. Und der Höhenflug des Anton Corbijns schlägt sich jetzt nieder in einer Retrospektive bei C/O Berlin. Seit nunmehr 60 Jahren bringt er in seinen Bildern über Weltstars die grobkörnige Wahrheit ans Licht.
Dies ist die Geschichte eines Mannes und seiner großen Liebe. Und der junge Niederländer Anton Corbijn wusste nicht so recht, wie er sich ihr nähern sollte. Seine Liebe, das war die Musik. Erst nach einiger Suche gelang es, für sie das passende Instrument zu finden. Keines, das Klänge erzeugt, sondern Bilder: Corbijn griff zu einer Kamera, fotografierte damit die nächstbeste Band, schickte die Ergebnisse an eine Redaktion, die sie beurteilen sollte.
Und sofort war klar, dass der 19-Jährige zu Höherem berufen ist. Rund vier Jahrzehnte später hat er sie alle in Szene gesetzt: U2, Metallica, Nirvana, die Rolling Stones. Nick Cave mit Kippe im Mund, Tom Waits gleich serienweise, mit markantem Hut oder freiliegender Haartolle. Es braucht fast die gesamte Wandfläche im Amerika-Haus, um das Schaffen dieses Porträtkünstlers nur annähernd wiederzugeben. Und die Fotostiftung C/O Berlin gab ihm den Raum.
„Sorry, dass es so viel ist“, kommentiert Corbijn das monumentale Ausmaß seiner neuen Schau. „Aber damit müsst Ihr klarkommen.“ Anfreunden muss sich der Betrachter auch mit seinem rauen Stil. Grobkörnig abgebildet, entwickelt David Bowie die Ausstrahlung einer Sphinx. Sinead O'Connor huscht glatzköpfig als Schemen durch den Bilderrahmen. Miles Davis blickt mit furchtgeweiteten Augen in die Flucht des Raumes. Und Ai Weiwei? Barbusig und kahlgeschoren trat der chinesische Künstler 2012 nach dem Ende seiner Inhaftierung vor die Linse.
Galerie schreibt schwarze Zahlen
Ziemlich genau ein Jahr nach dem Neustart von C/O Berlin in der City West setzt die aktuelle Blockbuster-Ausstellung das nächste Ausrufezeichen. 250 000 Besucher strömten bisher durch die frisch sanierten Ausstellungsräume und sorgten dafür, dass der hauseigene Buchladen und das Café auf Anhieb schwarze Zahlen schrieben. Was Stiftungschef Stefan Erfurt zum Schluss führt, dass die sachliche 50er-Jahre-Architektur des Amerika-Hauses für den Alltagsbetrieb sogar besser funktioniert als „die schwere Hülle“ des protzigen Postfuhramts am früheren Sitz in Mitte. „Dort war es nicht leicht, dass Haus zum Strahlen zu bringen. Hier leuchten die Inhalte ganz von selbst.“
Im Übrigen zeigte C/O Berlin 2005 am alten Standort schon einmal Corbijns Werke – und erhielt dafür eine Unterlassungsanzeige vom dortigen Bezirksamt. Erfurt staunt noch heute über die Begründung: „Der Besucheransturm auf der Straße war einfach zu groß.“ tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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