"Eine Achterbahn der Gefühle"
Theaterchef Martin Woelffer zieht Bilanz
Die Theater sind seit November wieder geschlossen – und bleiben noch mindestens bis Ostern zu. Martin Woelffer, Leiter der Komödie am Kurfürstendamm, zieht Bilanz eines schwierigen Theaterjahres.
Seit drei Generationen macht seine Familie Theater und hat zweifelsohne eine Menge Krisen erlebt. „Aber eine Phase, in der wir so lange nicht spielen durften, gab es noch nie“, sagt Martin Woelffer. "Wenn ich morgens über die menschenleere Bühne laufe, tut mir das in der Seele weh."
Solidarität in der Krise
Der Direktor und künstlerische Leiter der Komödie am Kurfürstendamm im Schiller-Theater vermisst das Publikum, die Schauspieler und Mitarbeiter in den Werkstätten, das Scheinwerferlicht, die Arbeitsgeräusche auf der Bühne. "Das Jahr 2020 war eine Achterbahn der Gefühle für mein Team und mich." Groß planen konnte niemand, denn das Virus nimmt keine Rücksicht auf Proben und Premierentermine. „Dem müssen wir uns leider fügen und auf bessere Zeiten hoffen.“ Ein Gutes aber hat die Krise, sagt Martin Woelffer: "Ich habe festgestellt, dass es Solidarität zwischen den Theatermachern gibt."
"Mord im Orientexpress"
kurz vor der Premiere gestoppt
Die Komödie am Kurfürstendamm im Schiller Theater hatte Großes vor für 2020. Mit „Mord im Orientexpress“ plante der Theaterchef die aufwendigste Produktion, die sein Theater je realisiert hat. Die Zeichen standen gut: Schon zwei Wochen vor der Premiere am 22. März war die Hälfte der Karten verkauft. Unzählige prominente Gäste wollten das Theaterspektakel unter der Regie von Katharina Thalbach, in dem sie Hercule Poirot spielen sollte, und an dem auch die Geschwister Pfister sowie Anna und Nellie Thalbach beteiligt waren, zum Start sehen. "Ganz Berlin sprach über das Theaterprojekt", sagt Woelffer. Doch dann wurden die Theater wegen der Pandemie Mitte März geschlossen.
Bundespräsident zu Besuch
Die Folge für die Komödie am Kurfürstendamm: Die Proben wurden abgebrochen und Kurzarbeit für die Belegschaft beantragt. Der Lockdown, ursprünglich nur für fünf Wochen angesetzt, zog sich bis in den Sommer. Im Juni trafen sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender in den Kulissen des in voller Fahrt angehaltenen Orientexpresses mit Katharina Thalbach und Martin Woelffer. Sie wollten sich über die Situation des Privattheaters und die Probleme der Schauspieler in der Corona-Krise informieren.
"Niemals zuvor hatten wir uns mit Infektionsschutzverordnungen oder der Luftaustauschrate unserer Klimaanlage beschäftigt"
Erst Mitte August öffnete die Komödie dann als erstes Berliner Theater wieder für die Zuschauer – unter dem Motto "Komödie.Stadt.Strand" und mit einem ausgefeilten Hygienekonzept und viel Abstand. "Niemals zuvor hatten wir uns mit Infektionsschutzverordnungen oder der Luftaustauschrate unserer Klimaanlage beschäftigt", sagt Woelffer. Doch plötzlich gehörten solche Themen zu den Hausaufgaben. Mit 360 von 1056 Plätzen ging der Theaterbetrieb also erst mal weiter. "Wirklich gerechnet hat sich das nicht“, resümiert der Theaterchef, "aber wir wollten unbedingt wieder spielen und dank der finanziellen Unterstützung vom Kultursenat ist der Neustart gelungen." Denn auch das Publikum hatte Lust auf Theater. "Das Feedback der Zuschauer war durchweg positiv. Umso mehr hat uns überrascht, dass Anfang November die Kultureinrichtungen wieder schließen mussten." Davor jubelten immerhin 300 Zuschauer jeden Abend bei "Rio Reiser – Mein Name ist Mensch“.
Keine "Schöne Bescherungen"
Dann kam der November und mit ihm der zweite Shutdown. Anders als noch im ersten Lockdown konnte das Team aber weiterproben für die Anfang Dezember geplante Premiere der Weihnachtskomödie „Schöne Bescherungen“, die dann aber abgesagt wurde. Der Shutdown ging in die Verlängerung. Dafür streamte die Komödie das Weihnachtskonzert mit den Comedian Harmonists und seinen kabarettistischen Jahresrückblick.
Pläne für 2021?
Und die Pläne für 2021? "Ich weiß gar nicht genau, wie viele Spielpläne die Leiterin des Produktionsbüros im vergangenen Jahr geschrieben und wieder verworfen hat", sagt Martin Woelffer. Für 2021 stünden bisher die Gastspiele von Ulrich Tukur, Gayle Tufts und Familie Flöz und Bodo Wartke fest. "Wann wir 'Mord im Orientexpress' auf die Bühne bringen können, wissen wir aber noch nicht sicher." Der Theaterchef glaubt aber fest daran, das die Zuschauer die Thalbach-Inszenierung in diesem Jahr sehen werden. Neue Projekte will Woelffer erst ankündigen, sobald spruchreif ist, wann es den zweiten Neustart geben kann. "Dass wir Ende des Jahres Alan Ayckbourns 'Schöne Bescherungen' zeigen, steht allerdings fest.“
Bis dahin geht’s hier zum digitalen Spielplan: www.komoedie-berlin.de/spielplan.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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