Von Abendmahl bis Zuckerfest: Ausstellung zeigt Reichtum an Religionen
Charlottenburg-Wilmersdorf. Heiligtümer, wohin man schaut: Die neue Ausstellung „Zeig mir, was Du glaubst“ in der Villa Oppenheim hilft dabei, den Bezirk als Heimat von 73 Glaubensgemeinschaften zu begreifen. Die City West – eine Hochburg der Frommen.
Nein, an diesem Tisch ist nichts Übersinnliches. Kein Heiliger Geist wohnt ihm inne. Er erzählt keine religiöse Geschichte. Aber an diesem Holzmöbel lässt es sich Platz nehmen und nachdenken über das viele Heilige um ihn herum. Und das hat Sabine Witt so gewollt. Für die neue Ausstellung zur religiösen Vielfalt in Charlottenburg und Wilmersdorf erhielt die Leiterin des Bezirksmuseums so imponierende Leihgaben aus Kirchen, Synagogen und Moscheen, dass ein neutraler Tisch gerade recht kommt, um die Vielfalt im Geiste zu sortieren.
73 Glaubensgemeinschaften
73 erklärende Karten lassen sich hier ausbreiten – für jede Glaubensgemeinschaft ein eigenes Kapitel. Jede zu verorten in einer Straßenkarte. „Als wir vor Monaten begonnen haben, dachten wir, es wären vielleicht 20 oder 30 Gemeinschaften“, erinnert sich Witt. Aber selbst bei der endgültigen, mehr als doppelt so großen Menge kann man keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Das Ordnungssystem der Schaukarten gibt sozusagen ein heimatkundliches Raster vor für die Wirkmacht der Exponate.
Da blickt König Ludwig IX. von Frankreich mit seiner Frau Margarete als Holzfigur in den Raum – jener Heilige, dem die katholische Kirche St. Ludwig in Wilmersdorf ihren Namen verdankt. Da verweist ein mit Seide bestickter Thoramantel auf seinen Ursprung in der 1911 eröffneten Synagoge Pestalozzistraße. Da liegt gleich gegenüber der aufgeschlagene Koran neben einem Gebetsteppich, den ein privater Unterstützer ausstellen ließ. Und eine buddhistische Klangschale ruht nicht einfach so auf ihrem Pult. Sie wartet auf einen Anstoß durch beherzte Besucher.
Interviews in Endlosschleife
Im oberen Geschoss der Villa kommen die Religionen dann zur Sprache – ein Film spielt Interviews mit Würdenträgern in Endlosschleife. Und fotografische Aufnahmen künden von den baulichen Finessen der Gotteshäuser.
Schnell begreift der Besucher, dass schon die Auffächerung nach einzelnen Gebäuden die Zahl der Gemeinschaften nach oben treibt. Und man wird der Tatsache Gewahr, dass sie sich nicht nur in einer Liste dicht aneinanderreihen, sondern auch im Straßenbild. Man nehme den Hohenzollerndamm, wo die dänische Christianskirken, die Ahmadiyya-Moschee und die russisch-orthodoxe Kirche einen Cluster bilden.
Warum diese Schau gerade jetzt und hier? Sabine Witt nennt den Evangelischen Kirchentag und das Reformationsjubiläum 2017 als Anlässe, um die heimatkundliche Neugier in diese schwierige Richtung zu treiben. Längst nicht alle Vertreter der Glaubensgemeinschaften hätten auf Anfragen des Museums und seine Bitten um Leihgaben reagiert. „Manchen waren ratlos. Man musste ihnen erst klarmachen, worum es uns geht.“ Aber am Ende überließen gerade die bekanntesten Gemeinschaften, zum Beispiel die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche oder die Synagoge in der Pestalozzistraße, wertvolle Artefakte, die für das Arrangement prägend wirken.
Friedliches Miteinander
Religiöse Konflikte rücken weit weg, wenn man die friedliche Komposition der heiligen Gaben beschaut. Und wer mit dem Glauben nichts anfangen kann, wird bemerken, dass er in Charlottenburg-Wilmersdorf dennoch überall umgeben ist von frommen Menschen, die ihren Gott in 73 Richtungen suchen, ohne einander zu schaden. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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