Anarchisches "Hometown" ist Geschichte
Wandelism schließt Freiluft-Atelier – früher als geplant
Mit einer großen Abschlusssause haben die Kultur-Rebellen des Kunstvereins Wandelism am letzten Sonnabend des Septembers das Ende ihres Open-Air-Ateliers Homtown auf dem Gelände nördlich der Hertzallee gefeiert. Das Resümee von Sprecher und Mitorganisator Moritz Tonn fiel durchwachsen aus.
Wandelism hat sich auf die Zwischennutzung von abrissreifen Immobilien oder vorübergehend brach liegenden Flächen spezialisiert, um Künstlern aller Couleur eine Plattform zu bieten. In der Pacht des Areals am Bahnhof Zoo ist dem Verein ein echter Coup gelungen, mehr Fläche zum Austoben geht fast nicht. Dreieinhalb Monate lang wurde das Freiluft-Atelier mit Kursen, Workshops und Projekten bespielt. 250 Künstler aus aller Herren Länder wirkten mit, verwandelten mit 2000 Spraydosen und 300 Litern Wandfarbe 60 Leinwände und 1250 Quadratmeter Wandfläche in 550 Kunstwerke – mitten im Zentrum Berlins. Dort entstand das größte Tatoobild der Welt, drei Busse wurden umgestaltet – per Graffiti zur fahrenden Bar etwa. Der Verein hat mit Hometown nicht nur den Jungs mit den Spraydosen in der Hand Arbeitsfläche geboten. „Wir haben bewusst keine Grenzen zwischen den Disziplinen gezogen“, sagt Tonn. Das Spannende an Hometown war zweifelsfrei der stete Wandel. Alle drei Wochen wurden neue Leinwände gestaltet und mit ihnen änderte sich auch die Atmosphäre.
Politik hat Willen
zu Veränderungen signalisiert
Wandelism prangert mit seinem Aktionen den Atelierschwund in Berlin an, fordert endlich bezahlbare Räume zur Entfaltung von Künstlern – und fand dank Hometown Gehör. Kultursenator Klaus Lederer (Linke), Kultur-Stadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD) und Reinhard Naumann, SPD-Bürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf, waren zu Gast und hatten ein offenes Ohr für die Nöte der Künstler. „Es wird nun über eine Förderung von Zwischennutzungen dieser Art nachgedacht, mit Mitteln aus dem Atelierprogramm“, berichtet Tonn. „So gerne ich Konflikte mag, aber jetzt hat die Politik tatsächlich Bereitschaft und Willen signalisiert, etwas zu unternehmen. Ein Erfolg.“
Von Nachbarn wusste
nichtmal der Verpächter
Glückliche Kreative? Ja! Glückliche Investoren? Nicht ganz! Gerne hätte Wandelism den Pachtvertrag noch verlängert. Im hinteren Teil des Geländes war zusammen mit den „Stadthausmeistern“ von Greenbox Global ein Künstlerdorf geplant. „Nutzung von Synergieeffekten durch das Zusammenlegen von Kunst und Arbeitszeit“, lautet Tonns Kurzbeschreibung. „Leider war das unter den Pachtbedingungen für uns finanziell nicht mehr zu stemmen.“ Das wiederum habe mit „der Verkettung unglücklicher Umstände“ zu tun, wie Tonn sagt. Eigentlich hätte Hometown tagsüber Künstlerleben und nach Sonnenuntergang soziokulturelles Nachtleben abbilden sollen. Mit Gastronomie, Musik und Tanz. „Bei der Erstellung des Konzepts wussten wir noch nicht, dass wir Nachbarn haben“, sagt Tonn. Hatte Wandelism aber. Auf dem Gelände des benachbarten Wertstoffhofes wohnen zwei Familien. „Die der Bereitschaftsärzte für den Zoo.“ Um 22 Uhr war daher Zapfenstreich, die finanziellen Einbußen führten zum vorzeitigen Ende von Hometown. „Wir hätten uns da Information des Verpächters gewünscht, aber der sagt, er habe das auch nicht gewusst“, so Tonn.
Eine rein kommerzielle Geschichte sollte Hometown ohnehin nicht werden. Doch Tonn hatte schon vor der Eröffnung gesagt, eine Non-Profit-Veranstaltung würden die Wandelism-Köpfe nicht noch einmal durchhalten. Durchgehalten haben sie, „aber es war anstrengend“, sagt Tonn. Noch bis zum 30. Oktober läuft das Paste-Up!-Festival, das Wandelism zusammen mit der Deutschen Oper auf die Beine gestellt hat. Bis dahin heißt die Devise: Erholen. Das nächste Projekt? „Ist schon in der Pipeline, aber noch nicht spruchreif“, so Tonn.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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