Wie jüdische und muslimische Frauen ein Magazin schrieben
Es begann mit einem Schweigen. Und dann sagte Judith Tarazi zu Ayse-Gül Yilmaz: "Ich weiß noch gar nicht so viel über dich, außer, dass du mit Jugendlichen arbeitest." Plötzlich war das Eis gebrochen. Und es stellte sich heraus: Beide wären am liebsten Psychologinnen geworden, für beide sah das Leben aber andere Wege vor und beide landeten schließlich in sozialen Berufen.
Man könnte sagen: Das Gespräch zwischen Judith, der jüdischen Kunsttherapeutin, und Ayse-Gül, der Pädagogin mit muslimischem Glauben, nahm einen druckreifen Verlauf. Nachlesen können Interessierte den Wortwechsel als einen von vielen Beiträgen auf der Seite des Online-Magazins "Aviva". Genauer: In der Sammlung des Projekts "Woman + Work - Lokale Geschichten".
Was Frauen über die Arbeitswelt zu schildern haben und welche Rolle ihre Religiosität dabei spielt (und ob überhaupt) - es ist für jeden erfahrbar. Bei Aviva handelt es sich um ein Frauenmagazin im Internet, gegründet von der Autorin Sharon Adler und ursprünglich ausgerichtet auf jüdische Leserinnen. "Ich kannte bis zu diesem Projekt keine Muslima", gesteht Adler ein. Wie man beim Schmökern merkt, hat sich das gründlich geändert.
Und ihre Arbeit trug Früchte, bescherte Adler im Jahre 2012 sogar den Frauenpreis des Landes Berlin. Wer den Preis damals übergab, das war Sozialsenatorin Dilek Kolat (SPD). In ihrer Funktion muss sie immer wieder in Konflikten vermitteln, Bürger von Gesetzen überzeugen. Und Kolat erkannte nicht zuletzt dank dieser Erfahrungen und während ihrer Unterstützung für das Aviva-Projekts: "Das Frausein verbindet."
Ob es nun um Integrationsarbeit bei Frauen oder Männern geht - Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) will solche Erfolgsmodelle stärker gewürdigt sehen als missglückte Fälle. "Wir sollten mehr miteinander reden anstatt übereinander", schlussfolgert er aus dem Erfolg des journalistischen Werks.
Die guten Geschichten sind es, die Leser an ein Blatt binden. Und das Erzählen an sich weist laut Carolina Böhm, der neuen Gleichstellungsbeauftragten, bis in die früheste Menschheitsgeschichte zurück. "Es gab Zeiten", sagt sie, "da erzählte man sich Geschichten, um Ängste zu vertreiben." Ayse-Gül Yilmaz und Judith Tarazi werden diese Bemerkung bestätigen können. Sie wissen jetzt: Das Schweigen schürt Angst und Vorurteile. Aber ein offener Plausch kann sie zerbröseln.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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