"Wir müssen wohl schließen"
Alican Özgürdal kämpft um ein Stück Kiezkultur
Der Obst- und Gemüseladen von Alican Özgürdal ist eine Institution im Kiez. Seinen Supermarkt in der Schlüterstraße gibt es schon seit 39 Jahren. Doch die steigenden Kosten machen es dem Inhaber schwer.
Alican Özgürdal ist der wohl bekannteste Lebensmittelhändler im Viertel. Seit fast 40 Jahren versorgt er den Kiez zwischen Savignyplatz und Schillertheater mit frischem Obst und Gemüse, Feinkost und vegetarischen Vorspeisen, die seine Frau Nihal täglich zubereitet. In dem kleinen Supermarkt gibt es alles – außer Zigaretten. Auch Kirschen und Eis für die Kinder. Und türkischen Tee als Willkommensgeste. Zum familiären Geschäftskonzept gehört aber noch mehr. Alican Özgürdal nimmt Pakete entgegen und deponiert Hausschlüssel, wenn arbeitende Nachbarn Besuch erwarten. Zum Plaudern hat er immer Zeit, für die Sorgen seiner Kunden auch.
Eigentlich könnte es immer so weitergehen. Doch hohe Energiepreise und sparende Kunden machen es dem Laden in der Schlüterstraße 74 schwer. „Mit meinem Umsatz kann ich die Unkosten kaum noch bezahlen“, sagt Alican Özgürdal. 1350 Euro zahlt er für die Ladenmiete, inzwischen nochmal 1200 Euro für Strom und Krankenkasse. Viele andere Tante-Emma-Läden haben bereits aufgegeben. „Ich mache das aus Leidenschaft“, sagt der 61-Jährige. "Und weil der Kiez einen Treffpunkt braucht."
Kunden schauen aufs Geld
Seine Stammkunden lieben das kleine Geschäft. Burkhardt und Angela Schellschmidt kaufen hier seit 30 Jahren ein. Gemüse, Obst, Kräuter und ausgefallene Gewürze. „Das ist eine echte Fundgrube hier“, sagt Burkhardt Schellschmidt. Seine Frau schätzt die „persönliche Atmosphäre“. Hier treffe man viele bekannte Leute aus dem Kiez. Benedikt Goebel, Berlins bekannter Stadtforscher und Stadtplaner, wohnt in der Nachbarschaft und ist ebenfalls Kunde bei den Özgürdals. Mittlerweile seit 22 Jahren. Denn: „Die Qualität ist hier wirklich das Beste.“
Doch immer mehr Kunden schauen aufs Geld, kaufen lieber günstiger beim Discounter. Oder sie kochen einfach nicht mehr. „Vor allem junge Leute, die gehen lieber essen“, sagt Nihal Özgürdal. „Früher hatten wir über 120 Kunden am Tag, heute sind vielleicht noch 60.“ Alican Özgürdal hat diesem Kreislauf wenig entgegenzusetzen. Keine Kunden, kein Umsatz. Und damit kein Geld für die Miete und die gestiegenen Stromkosten.
Ganze Familie investierte in den Laden
Eröffnet hat Alican Özgürdal seinen Laden im August 1984. Er war damals 21 Jahre alt. Drei Jahre zuvor war er aus der Südtürkei nach West-Berlin gekommen, machte dort eine Ausbildung zum Metallschleifer. Doch der junge Mann fand keine Anstellung, und so hatte er die Idee mit dem Obst- und Gemüseladen, in den die ganze Familie investierte. Seit der Eröffnung steht Alican Özgürdal sechs Tage die Woche von 8 bis 20 Uhr hinter der Theke. Oft auch länger, wenn ein Kunde nach Feierabend noch etwas braucht. Seinen letzten Urlaub hatte das Ehepaar, das in Charlottenburg zwei Kinder großgezogen hat, vor zwei Jahren.
Wie es jetzt weitergeht, weiß Alican Özgürdal nicht. „Wir werden wohl schließen müssen.“ Was seine Stammkunden sehr bedauern würden. Vielleicht kann Özgürdal das Ruder noch rumreißen. Auf die Solidarität aus dem Kiez kann er jedenfalls setzen.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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