Aviare öffnet Flugsimulator für jedermann
Als ich mich in den Pilotensitz sinken lasse, steht die Boeing 737 schon säuselnd auf der Piste. Und damit wir gleich zur Sachen kommen, hat mein Copilot Ruben Schikora den Bordcomputer alles wissen lassen, was diese Spritztour ausmacht. Eine Ansage der Lotsen müssen wir ja nicht beachten. An diesem stürmischen Wintertag gibt es keinen anderen Jet, nicht in der Luft, nicht am Boden.
Also gebe ich Schub, lasse den Tower von Berlin-Tegel links liegen, richte die Nase mittels Steuerknüppel in den stahlgrauen Himmel. Und sofort zerren an uns die Winde, dass die 737 nur so wackelt. So tückisch wäre der Start in diesem Moment, an diesem Ort - wäre die Boeing real.
Hinter uns sitzt Norbert Gronak, Geschäftsführer der Firma Aviare und Betreiber dieses beweglichen Flugsimulators, der jede Kurve, jeden Windstoß exakt nachempfindet - und das aus gutem Grund. Denn Gronak nutzt das Gerät in einem Hinterhof der Kantstraße nicht einfach aus Freude am Fliegen. Als Ingenieur konzipiert er Landebahnen, begleitete etwa den Bau einer neuen Piste am Flughafen Frankfurt. "Wir müssen prüfen und die Frage klären: Ist das fliegbar in der Realität?", erklärt Gronak. Sich bei der Lufthansa einzumieten schien ihm auf Dauer zu teuer. Also schaffte er die Simulationstechnik selbst an. Und erfüllt in den Momenten, wenn er nicht selbst an den Knüppel muss, anderen dem Traum vom Fliegen.
Wer sich am besten schlägt? "Kinder haben ein erstaunlich gutes Regelverhalten", berichtet Gronak. "Ins Trudeln kommen eher die Großen." Andererseits blieb sogar ein 100-Jähriger Herr der Lage. Mit einer gründlichen Einweisung und Hilfe vom Copiloten stieg bisher jeder in die Lüfte auf, erlebte das Szenario seiner Wahl und kehrte wohlbehalten zurück.
Außerdem gibt es ja noch den Autopiloten. Auch ich gebe mich nun der Maschine hin. Es ist eine Sache, zu wissen, dass der Jet auf Knopfdruck von alleine fliegt. Als Beobachter der selbstbestimmten Maschine im Cockpit zu sitzen, eine andere, sehr verblüffende. Durch die Frontscheibe gleitet uns ein Stadtbild entgegen, exakt so, wie es sich einer echten Crew in einem echten Flugzeug zeigen müsste an dieser Position. Da vorne pikst der Fernsehturm in die Wolken. Unter uns klafft der Flughafen Tempelhof als grasbewachsenes Oval zwischen den Vierteln. Großstadtblick mit Seltenheitswert.
Denn eigentlich ist das, was wir hier machen, nicht erlaubt. Der Luftraum über der Berliner Innenstadt bleibt frei. Zumindest für jene, die keine Fußballnationalmannschaft Ehrenschleifen vollführen lassen. Siegerflieger haben Sonderrechte. Alle anderen müssen außen herum. Plötzlich klingelt Gronaks Handy. Anruf von einem Kunden. Schikora unterbricht den Fug für ein paar Sekunden, währen Gronak die Maschine verlässt. Und mein Copilot merkt an: "Die Pausetaste hat man im richtigen Leben natürlich nicht."
Nach einer langgestreckten Rechtskurve liegt nun Schönefeld vor dem Bug. Ich übernehme wieder selbst, merke an den Bewegungen des Knüppels, dass Schikora bei der Landung kräftig hilft. Dann setzen wir auf, kommen mit Gegenschub zum Stehen. Und nun der eigentlich Clou:
Mit einem erneuten Aufheulen der Turbinen biegen wir links ab, rollen über den Rasen, plätten einen Bauzaun. Willkommen am BER.
Natürlich ist jene Fluggastbrücke, die wir ansteuern - festlich geschmückt mit weißen Ballons - zu kurz, sollen doch hier ganz andere Kaliber andocken: zum Beispiel der Superjumbo Airbus A380. Ob der jemals von Berlin aus in die Ferne düst? Mein Copilot schenkt mir ein ratloses Schmunzeln. Böse Zungen behaupten, für den A380 wäre an den zu dicht gereihten Brücken kaum Platz. Und dahinter fingen die Probleme erst richtig an. Aber das ist eine Geschichte, die andere erzählen müssen. Wir sind am Ziel.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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