Geheime Zutat namens Liebe
Christa Lutum ist „Bäckerin des Jahres 2022“
Christa Lutum ist Berliner Bio-Pionierin. In ihrer Dinkelbackstube im Giesebrechtkiez verzichtet sie komplett auf Backhilfsmittel und künstliche Zusätze. Die Bäckermeisterin setzt aber nicht nur auf traditionelle Backkunst. Sie bildet auch aus und fördert Frauen. Jetzt ist die 60-Jährige „Bäckerin des Jahres 2022“ geworden.
Die Allgemeine Bäcker Zeitung hat ihr das Prädikat verliehen. „Die Bäckermeisterin steht für handwerkliches Backen reinster Güte und höchster Qualität.“ So ein Lob der Jury geht runter wie Öl. Doch Christa Lutum musste erst mal schlucken. „Zuerst war ich skeptisch. Warum wurde gerade ich ausgewählt, weil sie gönnerhaft mal eine Frau nehmen wollten?“ Doch dann war es gut und die Freude ehrlich. Und so ist Christa Lutum tatsächlich die erste Frau, die diese Auszeichnung in dem sonst von Männern dominierten Handwerksberuf bekommen hat. Die Urkunde hängt jetzt in ihrer Bäckerei, gleich über dem Meisterbrief.
Echte Kiezbäckerei
Der Betrieb mit gläserner Dinkelbackstube in der Giesebrechtstraße heißt schlicht „Christa Lutum Bäckermeisterin“ und versteht sich als Kiezbäckerei. Hier ist die 60-Jährige vor sechs Jahren zu ihren Wurzeln zurückgekehrt, hier backt sie mit Tradition und Leidenschaft, mit direktem Kontakt zu ihren Kunden und einer geheimen Zutat namens Liebe, wie ein Aufsteller vor dem Eingang verrät.
Morgens um 5 Uhr geht’s los. Dann werden die ersten Sauerteigklumpen angesetzt, Dinkelmehl und Wasser dazu und kräftig durchgerührt. Die Knetmaschine hilft mit. Vor dem Backen muss der Teig drei Stunden ruhen. „Die ersten Brote kommen erst gegen 10 Uhr aus dem Ofen“, sagt Christa Lutum. Bis mittags ist dann alles da. Zwölf Brotsorten ganz ohne Weizen hat die Bio-Bäckerei im Angebot. Aus Christa Lutums Heimat Münsterland kommt das Paderborner Brot mit scharf gebackener Kruste. Das Mehl für ihre Bäckerei liefert eine Mühle in Müschen im Spreewald. „Die arbeiten mit regionalen Bauern in Brandenburg und Sachsen zusammen“, sagt Christa Lutum.
Die Arbeitszeiten hat die Bäckerei bewusst in den Tag verlegt. „Damit die Gäste zuschauen können, wie wir Brezel mit der Hand schlingen oder Rosinenzöpfe flechten.“ Christa Lutum ist das wichtig. „Wie sollen die Menschen sonst verstehen, was wir machen und dass das Brot nicht aus dem Automaten kommt? Darum haben wir die Backstube aus dem Hinterzimmer nach vorne geholt.“
Engagiert in der Innung, auch für Ausbildung
„Wir“, das sind ihre 20 Mitarbeiter, von denen fünf in Vollzeit arbeiten. 13 von ihnen sind Frauen. Sie zu fördern, ist für Christa Lutum ein Herzensanliegen, ebenso wie die Ausbildung junger Leute. Momentan hat sie drei Azubis und vier Gesellen. Die Bäckermeisterin ist auch Obermeisterin der Berliner Bäcker-Innung und Landesinnungsmeisterin für Berlin-Brandenburg und sitzt außerdem im Berufsbildungsausschuss, das heißt, sie ist für die Ausbildung zuständig. Auch für dieses Engagement wurde sie jetzt ausgezeichnet.
„Die Spezialitätenbäckerei, die hat Zukunft“
Christa Lutum kam 1982 nach Berlin und arbeitete zunächst in einer Vollkornbäckerei. 1986 machte sie den Meister und sich selbstständig. 1993 gründete sie mit Toni Beumer die Berliner Bio-Bäckerei „Beumer & Lutum“. Als Geschäftsführerin kam sie dort aber kaum noch zum Backen und stieg 2015 aus dem Unternehmen aus. Ihre Dinkelbackstube nebst kleinem Café in der Giesebrechtstraße 22 eröffnete Lutum im Juni 2016. Und dabei soll es bleiben. Expandieren will Christa Lutum nicht. Die Frage, ob es das Bäckerhandwerk auch noch in 20 Jahren geben wird, beantwortet sie mit einem klaren Ja. „Die Spezialitätenbäckerei, die hat Zukunft“, sagt Lutum. „Wir müssen uns abheben vom Mainstream. Über den Preis geht das nicht, da ist die Industrie besser. Aber wir können auf Trends schneller reagieren, das wird unser Überleben sichern.“ Ihre Fangemeinde hat Christa Lutum jedenfalls. Berliner, die sich bewusst für eine gesunde Ernährung und ordentliche Brote entscheiden. Auch wenn die etwas teurer als im Supermarkt sind. Zu Weihnachten backt Christa Lutum wieder Stollen nach altem Familienrezept und Spekulatius mit Zimt und Nelken. So ist es Tradition in ihrer Dinkelbackstube.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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