Ein Krimi zum Geburtstag
Der Lietzenseepark wird 100 Jahre / Irene Fritsch schenkt ihm ihr neues Buch
Irene Fritsch lebt seit ihrer Kindheit am Lietzensee. Die pensionierte Lehrerin und Autorin hat einen Narren an dem kleinen See und dem Park drum herum gefressen. Und deshalb sind weder Handlung noch Zeitpunkt der Veröffentlichung ihres neuesten Romans „Gefährlicher Reigen am Lietzensee“ ein Zufall.
Im nächsten Jahr nämlich feiert die vom berühmten Gartenbaudirektor Erwin Barth angelegte Grünanlage ihren 100. Geburtstag, das Bezirksamt hat Feierlichkeiten angekündigt.
Die Handlung spielt im Jahr 1919, als Barth mit den Arbeiten begann, kurz nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. Und in der Geschichte von Fritsch ist es sogar Barth höchstpersönlich, der die Leiche findet. „Ich habe mir gedacht, anlässlich des Doppeljubiläums – vor 100 Jahren wurden ja auch die ganzen umliegenden Städte an Berlin zu Groß-Berlin angegliedert –, wäre es schön, wenn man etwas zum Blättern in der Hand hätte“, sagt Fritsch. Also legte sie los und in der Tat stillt ihr Krimi nicht nur die Lust auf literarische Unterhaltung, sondern löscht auch den Durst nach historischem Wissen über diesen Teil Charlottenburgs.
Die Atmosphäre, in die ihre „kleine Krimi-Handlung“ – so sagt sie es selber – eingebettet ist, ist authentisch: Die Angst der Menschen vor der ungewissen Zukunft nach dem Wegfall des Kaiserreichs, die fürchterlichen Unruhen, oft Resultat der Streitereien zwischen Kommunisten, Spartakisten und des rechtsradikalen Freikorps, aus dem später SA und SS hervorgingen – alles basiert auf ihrer geschichtlichen Recherche. „Und meine Quellen waren richtig gut“, sagt Fritsch, die nun bereits ihren siebten Roman herausbringt. Große Dienste hätten ihr beispielsweise eine Schulchronik erwiesen, die ein damaliger Direktor gewissenhaft und ausführlich geschrieben habe. Auch die Interviews mit Zeitzeugen, schon in den 70er-Jahren geführt, seien ihr jetzt sehr hilfreich gewesen. „Ich habe damals zum Beispiel mit einer Kirchenschwester gesprochen, die muss 1919 etwa zehn, elf Jahre alt gewesen sein. Sie hat mir von Barrikaden der Spartakisten auch im gut bürgerlichen Charlottenburg berichtet. Das kannte man bis dato nur aus Mitte oder den östlichen Teilen Berlins.“ Der Titel ihres Buches entstand in Anlehnung an das Theaterstück „Reigen“ von Arthur Schnitzler, das 1920 in Berlin uraufgeführt wurde, in zehn erotischen Dialogen die „unerbittliche Mechanik des Beischlafs“ schildert und deshalb zu den größten Theaterskandalen des 20. Jahrhunderts zählt. „Das wurde auch in einem Kellertheater hier am See aufgeführt“, sagt Fritsch, „nicht öffentlich, versteht sich.“
Dieses Buch musste also jetzt einfach geschrieben werden. Weil die Zeit wegen des Jubiläums dafür reif war, weil Irene Fritsch alle zwei Jahre ein Buch auf den Markt bringt, aber auch, weil ein Werk von ihr aus dieser Zeit noch fehlte. „Sonst habe ich ja fast alles durch in meinen Büchern: Sozialismus, die Nazis, die 50er-Jahre, Flüchtlingsprobleme.“ Meist spielte die Handlung ganz oder teilweise am Lietzensee, immer fußten ihre Handlungen auf authentischen historischen Begebenheiten. Das ist es, was Irene Fritsch Spaß macht – recherchieren und dann Fakten und Fiktion verweben. „Wenn ein Buch fertig ist, fühlt es sich fast an, als hätte ich nichts mehr damit zu tun.“
"Gefährlicher Reigen am Lietzensee" von Irene Fritsch kann online über www.textpunktverlag.de bestellt werden. ISBN 978-3-938414-64-4.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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