Luftangriffe auf Schmargendorf
Elvira Wadin-Herrmann schildert ihre dramatischen Kriegserlebnisse
Elvira Wadin-Herrmann, geboren 1926, ist Zeitzeugin des Zweiten Weltkrieges. Ihre Erlebnisse hat sie aufgeschrieben, ihr Buch beginnt mit dem Einmarsch der russischen Armee in Berlin. „Gehungert, gefroren, gezeichnet, aber Berlin hat überlebt“ schildert sie unpolitisch, detailliert und emotional, wie das Leben für Nachkriegskinder war – in Schmargendorf.
„Nach der folgenden Nacht fuhr die Krankenschwester mit dem russischen Panzerspähwagen und unserem Gisbert durch die Kampfzone in das Martin-Luther-Krankenhaus. Der Panzerspähwagen war mit einem weißen Tuch mit rotem Quadrat gekennzeichnet“, so ist der Wortlaut einer Passage am Anfang des Werkes. Gisbert Wadin, geboren 1943, ist der Bruder der Autorin, er war damals sieben Monate alt. Er hatte nach überstandener Mittelohrentzündung noch immer Schmerzen und musste behandelt werden. Der Hohenzollerndamm, an dem die Familie wohnte, war bereits besetzt. Ein russischer Offizier hatte als „Gegengabe“ dafür, dass sich ihm die Krankenschwester aus der Nachbarschaft am Vortag „angeschlossen hatte“, den Panzerspähwagen geschickt. Gisbert kam ins Martin-Luther-Krankenhaus, das auf der noch unbesetzten Seite stand und musste prompt operiert werden, ein tiefliegender Abszess auf der Rückseite seines Halses wurde geöffnet.
Kurzerhand einen eigenen Verlag gegründet
Gisbert Wadin hat wie seine Schwester diese Zeit voller Angst und Entbehrungen überlebt und hat nun – wie schon die Erstauflage – das Buch in Eigenregie verlegt. „Das geht in kleinen Stückzahlen relativ leicht über das Internet“, sagt er. Ein Verlag sei nicht zu finden oder zu bezahlen gewesen. Also gründete er den Wadin Verlag. Vor der Rente als Ingenieur tätig, wandelte Gisbert Wadin das in den 1990er Jahren verfasste Manuskript von Elvira Wadin-Herrmann im vergangenen Jahr mittels Software erstmals in ein verkaufsfähiges Buch um, jetzt hat er zunächst 25 Exemplare der aktualisierten Ausgabe anfertigen lassen, „damit wir liefern können“.
"So hat es meine Schwester eben erlebt"
Wer die bewegenden Kindheits- und Jugenderlebnisse seiner Schwester liest, die sie mit eigenen Illustrationen und Bildern ihrer ab 1947 angefertigten Scherenschnitte – eines davon ist das Logo des hauseigenen Verlags – ergänzt hat, bekommt einen Eindruck des einfachen Lebens einer Berliner Familie, die ohne Annehmlichkeiten und selbstverständliche Kostbarkeiten der heutigen Wohlstandsgesellschaft auskommen musste. „Das Buch zeigt auch, wie naiv viele Deutsche auf die Geschehnisse reagierten, und es kommt ohne Wertung aus“, erklärt Wadin. Ein Professor, der das Manuskript gegengelesen hatte, monierte einige Passagen. „Man könne das angesichts der politischen Lage damals nicht so schreiben, hat er gesagt. Aber so hat es meine Schwester eben erlebt“, sagt Gisbert Wadin. „Gehungert, gefroren, gezeichnet, aber Berlin hat überlebt“ ist eine Biographie, eine Chronik der letzten Kriegstage in Berlin und Schmargendorf, eine Zusammenfassung der Kriegsschäden und Quelle wissenswerter Hintergrundinformationen zur Luftbrücke, der Berlin-Blockade und die Bedeutung der Rosinenbomber. Besonders dramatisch sind Wadin-Herrmanns Schilderungen von den Luftangriffen, den Bunkeraufenthalten und den Begegnungen mit den russischen Soldaten. Zum Beispiel beschreibt sie, wie ein junger russischer Soldat direkt neben ihr erschossen wurde.
Elvira Wadin-Herrmann und Gisbert Wadin leben längst nicht mehr in Berlin. Für die Geschichte des Bezirks ist das Buch aber sicher ein wertvolles Dokument. Beeindruckend und spannend geschrieben ist es allemal.
Das Buch ist in der Hardcover-Version unter der ISBN-Nummer 978-3-9817755-6-3 zum Preis von 14,90 Euro bestellbar, das Taschenbuch für 9,90 Euro unter der ISBN-Nummer 978-3-9817755-5-6.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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