Bloß nicht klein denken!
Nele Handwerker macht mit ihrem Buch anderen MS-Patienten Mut

Die Charlottenburgerin Nele Handwerker hat ihr Leben mit Multiple Sklerose aufgeschrieben, als Mutmacher für Patienten und deren Angehörigen. | Foto: Matthias Vogel
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Nele Handwerker, 39 Jahre alt, hat Multiple Sklerose (MS). Seit 15 Jahren lebt sie damit. Ihre Erfahrungen teilt sie nun mit Leidensgenossen und deren Angehörigen über ein Mut machendes Sachbuch. „Multiple Sklerose? Keine Angst!“ heißt das Werk.

Die Diagnose war ein Schock für Nele Handwerker: MS hieß es plötzlich, mitten im Studium. Unweigerlich zeichnete sich ein düsteres Bild vor ihrem geistigen Auge: Ich bin unheilbar krank, sitze bald im Rollstuhl. Lohnt es sich überhaupt, weiter zu studieren? Wird es jemanden geben, der mich liebt, mit dem ich eine Partnerschaft eingehen kann? Zu ihren eigenen Ängsten kamen dann noch die ihres Umfeldes. „Die haben mich dann gefragt, ob ich denn wirklich noch verreisen, beruflich ins Ausland oder zum Tauchen gehen und einen Fallschirmsprung wagen wolle. Ich solle doch lieber vorsichtig sein, ich hätte doch schließlich MS“, erinnert sich Handwerker. „Das war nun wirklich nicht meins.“ Sie beschloss, ihre Erkrankung für sich zu behalten und hielt die bereits Eingeweihten dazu an, es ebenso zu tun. „Zum Glück gibt es auch Ärzte in meiner Familie und die machten mir Mut: Die Krankheit verlaufe häufig auch milde.“ Sie begann sich mit ihrem Schicksal auseinanderzusetzen, fand in ihrer Heimatstadt Dresden einen guten Neurologen und lernte, mit MS zu leben.

Die Anfänge waren schwer, davon zeugt die Geschichte, die aus Handwerker heraussprudelt, während sie ihrer eineinhalbjährige Tochter in einer Spielplatzschaukel auf dem Karl-August-Platz Schwung gibt. Aber insgesamt erweckt sie den Eindruck, Vieles richtig gemacht zu haben. Vor allem, nicht damit begonnen zu haben, klein zu denken. Es war richtig, trotz MS eineinhalb Jahre beruflich in die USA zu gehen, später eine Stelle in Berlin anzutreten, die Dienstreisen nach Asien beinhaltete und dort wiederum ihre Krankheit zu verschweigen. „Die Branche Spezialchemie ist männerdominiert. Da hat man genug damit zu tun, sich als Frau zu behaupten. Hätte ich denen das erzählt, hätten die auch dieses düstere Bild im Kopf gehabt. Das wollte ich nicht.“

Der erfüllte Kinderwunsch ließ Nele Handwerker dann umdenken. Zum einen wollte sie es nicht so weit kommen lassen, dass ihre Tochter eines Tages würde für sie lügen müssen, zum anderen hatte sie sich über zehn Jahre lang in ihrem Job bewiesen und fühlte sich von ihrem Neurologen mit der Basistherapie bestens eingestellt. „Ich habe also eine 180-Grad-Wende hingelegt und beschlossen, ein Buch über meine Erfahrungen mit MS zu schreiben.“ Das hätte eigentlich bereits Ende 2019 erhältlich sein sollen. „Kitaplatz ist aber noch nichts für uns, deshalb hat es ein bisschen länger gedauert.“ Der Zeitpunkt passt ja auch dennoch gut: Am 30. Mai ist Welt-MS-Tag.

Auf der einen Seite möchte sie MS-Patienten Mut machen: Lebt eure Träume, denkt bloß nicht klein! Zum anderen will sie ein wahres Bild der Erkrankung des zentralen Nervensystems zeichnen, bei der das eigene Immunsystem Nervenfasern zerstört, die an der Weiterleitung von Impulsen beteiligt sind, und so zahllose Symptome hervorrufen kann. Ein Bild aus Patientensicht, vereinfacht, aber an die Wissenschaft angelehnt. „Es gibt Influencer, die auf ihren Social-Media-Kanälen verbreiten, ein Medikament zu nehmen und sich gesund zu ernähren, reiche aus. Das ist Quatsch“, sagt Handwerker. Ja, der Lebenswandel spiele eine Rolle, aber das Wichtigste sei die Basistherapie. Also die individuelle Einstellung mit Medikamenten. „Was mir hilft, hilft einem anderen nicht“, erklärt Handwerker. Fatal sei es auch zu glauben, die Krankheit schreite zwischen zwei Schüben nicht fort. „Das richtige Medikament greift dort ein. Und das verlängert die Prognose nach hinten raus“, sagt sie. Um in der Einfachheit korrekt zu bleiben, hat sie Tjalf Ziemssen, Leiter des Multiple Sklerose Zentrums des Universitätsklinikums Dresden, gegenlesen lassen. Er richtet auch das Vorwort an die Leserschaft. Parallel zum Buch hat Nele Handwerker den Podcast "MS-Perspektive“ gestartet. „Dort interviewe ich unter anderem Experten“, sagt sie.

100 Bücher möchte sie in ihrem Leben veröffentlichen, fünf Kinderbücher und nun das Sachbuch hat sie schon geschrieben. Auch sonst bleibt sie ihren eigenen Empfehlungen treu. Sie schiebt nichts mehr auf, war beim Tauchen und hat den Fallschirmsprung gemacht. Im August steigt sie wieder in ihren Beruf ein und möglichst bald will sie wieder Sport treiben: „Ganz besonders vermisse ich das Snowboarden.“

Das Buch „Multiple Sklerose? Keine Angst!“ von Nele Handwerker kann bei Books on Demand (BoD) unter der ISBN 978-3-75048-722-2 bestellt werden und kostet 12,99 Euro.

Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

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