Villa Oppenheim zeigt Werke der Fotopionierin Gerda Schimpf

Früh übt sich: Gerda Schimpf als Mädchen mit Kamera, aufgenommen in den 20er-Jahren. | Foto: Promo / Villa Oppenheim
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  • Früh übt sich: Gerda Schimpf als Mädchen mit Kamera, aufgenommen in den 20er-Jahren.
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Charlottenburg. Laut Lehrzeugnis war sie ein Mann. Denn weibliche Fotografen waren zu Gerda Schimpfs Jugendzeiten schlichtweg nicht vorgesehen. Zwei Jahre nach ihrem Tod erfährt die Vorreiterin der Fotografie nun eine erste große Würdigung – in der Ausstellung „Sehen lernen“.

Ihr Werkzeug steckt in einer Vitrine. Kamera, Lupe, Papier. Alles wertvoll. Unbedingt bedeutend für die Erforschung. Und rings um den Schaukausten in der neuen Sonderausstellung der Villa Oppenheim, da reihen sich Gerda Schimpfs Werke. Wer sie nicht kennt, braucht sich nicht zu schämen. Denn wenn es nach Museumsdirektorin Sabine Witt geht, gilt es die Charlottenburger Fotografin – geboren im Jahre 1913, verstorben 2014 – erst zu entdecken. Und so versteht sich die Schau mit dem Titel „Sehen lernen“ als Anstoß zur Würdigung einer Frauen, die einen männlich beherrschten Berufsstand für das andere Geschlecht fruchtbar machte.

Betragen: "einwandfrei"

„In ihrem Lehrzeugnis wird sie noch als männlicher Fotograf geführt“, betont Witt eine groteske Ausgangslage für die Karriere der gebürtigen Dresdenerin. „Sein Betragen“, heißt es in der Beurteilung „war völlig einwandfrei.“ Spätestens als die Bildkünstlerin ab 1959 für den Berliner Lette-Verein als Dozentin wirkte, konnten auch die altmodischsten Männer nicht mehr leugnen, das Frauen die hohe Schule des Sehens so gut beherrschen können wie sie.

Als Schimpf im Alter von 101 Jahren aus dem Leben schied, hatte sie aus den verworrenen Anfängen ein gigantisches Lebenswerk geformt. 12 000 Bilder – ein Nachlass, über den die Welt staunen kann. In Person von Christine Kahlau und Irja Krätke fanden sich zwei Kuratorinnen, die als Mittler auftreten zwischen diesem riesigen Fundus und der fotobegeisterten Öffentlichkeit. Nach einer ersten Sichtung traten die beiden im vergangenen Jahr an Museumschefin Sabine Witt heran. Und bekamen prompt die Chance, ein Stück Kiezgeschichte anhand von Porträtsfotos zu erzählen.

Denn Schimpf und Charlottenburg, das muss man zusammen denken. In ihrem Atelier am Witzlebenplatz und umliegenden Orten verewigte sie ab 1937 Persönlichkeiten wie Louise Schroeder, die erste und einzige Oberbürgermeisterin von Berlin, Renée Sintenis, die Schöpferin des Berlinale-Bären, und die Malerin Eva Schwimmer.

Frauen im Portrait

Aber auch Gesichtern von Berlinern wie du und icke haben Witt und die Kuratorinnen zur Schau gestellt. Aus Bilderrahmen blicken etwa eine Medizinerin der Charité und eine britische Soldatin. Die Schau atmet den Zeitgeist der Aufbaujahre nach dem Krieg, zeigt Gesichter des Charlottenburger Aufschwungs in einer Phase, da die City West neue Blüten trägt.

Das Apartmenthaus am Kaiserdamm, vom Architekten Hans Scharoun auf die Bedürfnisse von Alleinstehenden zugeschnitten, war die meiste Zeit Schimpfs Wohn- und Arbeitsort in einem. Aber ob sie tatsächlich alleinstehend war? Intime Briefe des Malers Max Schwimmer lassen daran zweifeln. Auch Zeugnisse dieses amourösen Abenteuers finden sich in der Schau, wobei Schimpf zugleich mit Schwimmers Ex-Frau Eva eine Freundschaft verband. So darf man beim Betrachten der Exponate eine merkwürdige Dreiecksbeziehung nachempfinden.

Im Reigen der Frauenporträts bleibt die Zurschaustellung von Männern eine Ausnahme. Was nicht heißt, dass Schimpf kaum Männer fotografiert hätte. Aber das ist ein andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden. Die Entdeckung der Gerda Schimpf, sie hat gerade erst begonnen. tsc

Die Ausstellung „Sehen lernen – Die wieder zu entdeckende Fotografin Gerda Schimpf“ in der Villa Oppenheim, Schloßstraße 55, läuft bis 23. April bei freiem Eintritt. Öffnungszeiten: Di bis Fr 10-17 Uhr, Sa/So 11-17 Uhr.
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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