Ausbeutung mit Brief und Siegel: Gedenktafeln sollen an Lager erinnern
Wilmersdorf. Es gehört zu den dunkelsten Kapiteln der Bezirksamtsgeschichte: Während der Naziherrschaft sollen Gefangene in Zwangsarbeitslager geschuftet haben – und bald werden Gedenktafeln daran erinnern. Umstritten bleibt die Frage, was in der Wilhelmsaue 40 geschah.
Arbeit als Strafe und Ausdruck von staatlicher Willkür und Ausbeutung – vor 75 Jahren völlig normal. Und heute? Da ist die Debatte über das Erinnern an Zwangsarbeitslager in den Altbezirken Wilmersdorf und Charlottenburg einer der heikelsten Tagesordnungspunkte im Programm der Bezirksverordnetenversammlung. Jahrelang haben Fraktionen und Historiker darüber gestritten, ob und wie sich die heutigen Instanzen mit den grausamen Machenschaften ihrer Vorgänger auseinandersetzen müssen.
Schauplätze der Grausamkeit
Seit der Aprilsitzung des Kulturausschusses gibt es ein Ergebnis: Unter mehreren Anträgen erhielt derjenige der FDP den größten Zuspruch. Die Verordneten fordern das Bezirksamt auf, „dass Charlottenburg-Wilmersdorf den Zwangsarbeitern, die auf dem Gebiet des heutigen Bezirks eingesetzt worden waren, ein würdiges Gedenken bereitet. Dazu soll eine Gedenktafel jeweils in Charlottenburg und Wilmersdorf an einem Ort errichtet werden, dessen Authentizität als gesichert gilt.“ Soll heißen: Die Tafeln werden nicht in Dienstgebäuden versteckt, sondern hängen an realen Schauplätzen der Grausamkeit.
Welche das sind, darüber wird weiter heftig gestritten. So hatten Linke und Grüne eine Version des Antrags lanciert, die eine sofortige Anbringung einer Tafel in der Wilhelmsaue 40 verlangt. Tatsächlich sehen es die meisten Experten als gesichert an, dass ein Zwangsarbeiterlager im Herzen von Wilmersdorf eben diese Adresse trug.
Erst alles abklären
„Aber wir müssen die Gefahr ausschließen, nach der Aufstellung der Tafel festzustellen, dass dort doch kein Lager war“, warnt Stadtrat Arne Herz (CDU) vor einem Debakel. Auch der Verordnete Marc Schulte von der SPD sieht es als erwiesen an, „dass das Bezirksamt Schuld auf sich geladen hat. Wir müssen überlegen, an welchem Ort wir das markieren und mit welcher Information.“ Das heißt: Vor der Einweihung der Tafeln wird weiter geforscht. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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