100 Jahre Groß-Berlin
Charlottenburg wurde gegen seinen Willen eingemeindet

Das Rathaus an der Otto-Suhr-Allee ist zweifelsfrei imposant. Das war so gewollt, die Stadtväter verliehen mit dem 1905 eingeweihten Bau ihrem enormen Selbstbewusstsein Ausdruck.  | Foto: Matthias Vogel
  • Das Rathaus an der Otto-Suhr-Allee ist zweifelsfrei imposant. Das war so gewollt, die Stadtväter verliehen mit dem 1905 eingeweihten Bau ihrem enormen Selbstbewusstsein Ausdruck.
  • Foto: Matthias Vogel
  • hochgeladen von Matthias Vogel

Geht es um die Fusion der vielen kleineren und größeren Städte und Gemeinden zu einem Groß-Berlin im Jahr 1920, ist immer von einem Charlottenburg die Rede, das sich bis zuletzt weigerte, beizutreten. Grund ist ein enormes Selbstverständnis, das sich aus Reichtum und dem eigenen rasanten Wachstum speiste.

„Die Braut wollte umworben werden, was Berlin damals nicht so recht gelang“, sagt Historiker Eike Lorenzen-Schmidt, der gerade in der Stadtbibliothek ein Praktikum absolviert. Berlin habe dann irgendwann die Eingemeindung angeordnet. „Vermutlich nicht ganz rechtens“, sagt er.

Die breite Brust der Charlottenburger

Um die breite Brust der Charlottenburger zu erklären, lohnt ein Blick in die noch weiter zurückliegende Geschichte. Nach dem Tod von Königin Sophie Charlotte und unter der Ägide von König Friedrich I. verlor Charlottenburg zunächst die zuvor gewährten königlichen Privilegien. Berlin und Potsdam prosperierten, während der König darüber nachdachte, Charlottenburg in den Status eines Dorfes zurückzuführen. Friedrich der I. starb 1740, zehn Jahre später entdeckten die Charlottenburger Ackerbürger quasi den Tourismus. Gasthöfe und Schankwirtschaften entstanden, Industrie und Handwerk siedelten sich an, später auch zahlreiche Mühlen in der Mühlenstraße, der heutigen Bismarckstraße. Siemens war da, die Königliche Porzellan Manufaktur auch. Die Bevölkerung wuchs erst stetig, dann rasant: 20.000 Einwohner waren es 1870, 30 Jahre später bereits 180.000. In dieser Zeit entwickelte sich Charlottenburg zu einer der größten und reichsten Städte Preußens.

Rathaus höher als das Schloss Charlottenburg

Ausdruck des unglaublichen Selbstbewusstseins war der Bau des Rathauses, das 1905 eingeweiht wurde und in dem heute Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) die politischen Fäden in den Händen hält. 89 Meter ist der Rathausturm hoch, höher als der Turm des Schlosses Charlottenburg – damals eine Machtdemonstration des Bürgertums gegenüber dem Kaiserhaus. „Und nun sollte der Oberbürgermeister von Charlottenburg nur noch Bürgermeister sein und Anordnungen aus Berlin befolgen? Das ging natürlich gar nicht“, sagt Lorenzen-Schmidt. Letztendlich musste sich Charlottenburg nicht nur dem Machtwort Berlins, sondern auch dem enormen Siedlungsdruck beugen. „Die Städte wuchsen in atemberaubendem Tempo aufeinander zu. Es gab keine Wahl“, so Lorenzen-Schmidt.

Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

7 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 2.647× gelesen
BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 1.987× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 2.616× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 3.523× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.