Damit Ehrengräber nicht verschwinden: Ulrike Kopetzky sucht Mitstreiter für Friedhofsinitiative
Wilmersdorf. Stillschweigende Kostensenkung: Auf dem Friedhof Wilmersdorf könnten mehrere Ehrengräber verschwinden, wenn niemand ihre Weiterpflege fordert. Das übernimmt nun eine Journalistin. Und sie wirbt Gleichgesinnte für eine Initiative, die sich der Gedenkkultur verschreibt.
Hildegard Wegscheider ist weiterhin unvergesslich. Ihre Ruhestätte bleibt frei von Unkraut, die Inschrift auf dem Grabstein ist leserlich, das Andenken an die Frauenrechtlerin und Pädagogin bleibt für weitere 20 Jahre gewahrt. Selbstverständlich bei einem Berliner Ehrengrab, könnte man denken. Und das wäre falsch gedacht. Denn Wegscheiders Grab auf dem Friedhof Wilmersdorf hätte von heute auf morgen spurlos verschwinden können, wenn bei der Senatskanzlei nicht eine Reihe von Bürgern den Erhalt gefordert hätten.
14 Gräber akut gefährdet
Zuerst war es nur eine einzige Frau. Ulrike Kopetzky, eigentlich als Fotografin und Journalistin tätig, kniet andächtig vor Wegscheiders Grabstein. Eine Frau, die einen bewussteren Umgang mit Ehrengräbern will als den jetzigen. „14 der 111 Ehrengräber auf den acht Friedhöfen des Bezirks sind derzeit gefährdet“, mahnt sie an. Doch vor allen Dingen geht ihr die Situation auf dem Friedhof an der Berliner Straße nahe – aus persönlichen Gründen. Hier wurde eine langjährige Nachbarin Kopetzkys begraben, allerdings anonym. Und beim Beschaffen eines Hinweisschilds bemerkte sie den sehr unterschiedlichen Zustand der Ehrengräber. Manche waren einwandfrei, die anderen kaum noch erkennbar.
Dass nach 20 Jahren über den Fortbestand eines Ehrengrabes, welches auf Staatskosten einen würdigen Pflegezustand garantiert, neu beraten wird, davon erfahren Unbeteiligte meistens nichts. In nichtöffentlicher Runde wird den einen ehrwürdigen Toten weitere Pflege bewilligt. Andere scheiden nach ihrem Ableben auch noch aus dem Programm – in der Regel dann, wenn keine Hinterbliebenen die Fortführung fordern.
Gegen Einebnung protestieren
Eben das gelang in Fall von Hildegard Wegscheider (1871-1953). Denn Kopetzky konnte das nach ihr benannte Gymnasium in Grunewald dazu bewegen, sich bei der zuständigen Senatskanzlei einzuschalten. Andere verstorbene Prominente wie Johannes Hass, ein von Nationalsozialisten verfolgter Gewerkschafter und Sozialdemokrat, hatten dieses Glück bislang noch nicht. Ihre Stätten der letzte Ruhe hat man nach Bekanntwerden von Kopetzkis Bemühungen zwar plötzlich vom Unkraut befreit. Aber auch ihr Bestand für 20 weitere Jahre bleibt vorerst offen. Eben deshalb möchte Kopetzky eine feste Friedhofsinitiative ins Leben rufen, auf dass interessierte Bürger rechtzeitig das Auslaufen eines Ehrengrabs recherchieren – und gegen die Einebnung ihre Stimme erheben.
Freifrau Margarethe von Witzleben, die Begründerin der Schwerhörigen-Bewegung. Amalie Auguste und Georg Christian Blisse, bis heute für ihr wohltätiges Wirken gerühmt. Johannes Hass – sie alle dürfen aus Sicht der Journalistin nicht in Vergessenheit geraten.
Letztlich bedeutet dieses Vorgehen eine hohe Belastung des Grünflächenamts Charlottenburg-Wilmersdorf, ohnehin schon ein vom Stellenabbau besonders geschröpfter Teil des Bezirksamts. Denn an ihm bleibt die Pflege hängen, wenn die Berliner Senatskanzlei ein Ehrengrab bewilligt oder verlängert. Doch Kopetzky glaubt, dass die Wahrung dieser Erinnerungsstätten nicht unter der Situation leiden darf. Und bietet auch noch an, den Gärtnern tatkräftig zu helfen. „In unseren Breitengraden haben wir einen Kult zur Trauerbewältigung“, erklärt die Aktivistin. „Er zeichnet sich aus durch den Erhalt von Grabschmuck. Ich finde, dass es so bleiben sollte.“ tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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