Naphtalin: Sanierung nun auch im Jugendclub nötig
Charlottenburg-Wilmersdorf. Es riecht nicht, es versteckt sich unter Dächern und seine Entfernung ist teuer: Naphtalin. Nachdem der Bezirk Mitte 2016 im Bürgeramtsgebäude am Hohenzollerndamm eine ungeplante Sanierung einleiten musste, geschieht dies nun auch in der „Zille 54“. Besteht Gefahr?
Eigentlich war ja Sparen angesagt. Eigentlich verhieß die Trennung vom Rathaus Wilmersdorf und die Verlegung von Ämtern ins Nachbarhaus am Hohenzollerndamm 176 die Kostensenkung um 2 Millionen Euro pro Jahr. Dann meldeten sich Mitarbeiter der Behörden im obersten Stockwerk mit Kopfschmerzen und Übelkeit krank. Unter dem Dach fanden Fachleute den Grund: den Dämmstoff Naphtalin. Und so hieß es, ungeplant Geld in die Hand nehmen, ohne langes Federlesen sanieren. Auf 700 000 Euro schätzte die damalige Immobilienstadträtin Dagmar König den Ausbesserungsakt. Das war im Sommer.
Gründlich gelüftet
Wenige Monate später ereilte den Bezirk das gleiche Schicksal an anderer Stelle: Naphtalin-Fund nun auch im Haus der Jugend Charlottenburg in der Zillestraße. Krankmeldungen wegen giftiger Dämpfe sind hier zwar nicht bekannt. Andererseits: Nur wenige wissen überhaupt, dass hier ein gesundheitsgefährdender Stoff unter der Decke steckt. Auffällig wirkte nur, wie oft und gründlich in der „Zille 54“, eine der meistbesuchten Jugendfreizeitstätten Charlottenburgs, gelüftet wird.
Erst Anfragen in der Bezirksverordnetenversammlung brachten ans Licht, dass hier seit Kurzem Sanierungsmaßnahmen im Gange sind, deren Hintergrund kaum einer kennt. Während die Clubleitung einen Teil der Programmpunkte auslagerte, finden viele Veranstaltungen im schadstoffverseuchten Club weiter statt. Ausmaß und Kosten der Sanierung? Derzeit nicht abzusehen.
„Eine Zumutung und eine Gefahr“, nennt die unwägbare Situation Judith Stückler (CDU). Sie hatte erst kürzlich die Wahl des neuen Kinder- und Jugendparlaments im betroffenen Haus miterlebt und sich gewundert, warum auch bei niedrigen Temperaturen die Fenster lange offenstanden.
Haus nicht geschlossen
In der Tat blieben Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) nur zwei Optionen: das Haus der Jugend komplett schließen oder das Programm bestmöglich fortführen bei laufender Naphtalin-Sanierung. Dass er sich für letzteres entschied, hängt auch mit einer politischen Zwickmühle zusammen.
Denn falls Freizeitangebote ausfallen sollten, bekommt der Bezirk Probleme mit der so genannten Kosten-Leistungs-Rechung, warnt Schruoffeneger. Wenn die Angebote des Hauses der Jugend nicht stattfinden, streicht der Senat künftig die dafür vorgesehenen Gelder. So stürzt eine nicht erbrachte Leistung die Haushälter in finanzielle Probleme. Deshalb heißt es: Weitermachen zum Wohle der Jugend – aber eben nur so weit, dass man sie nicht gefährdet.
Genau diesen Spagat forderten die Fraktionen von CDU und SPD in der BVV gleichermaßen ein. Stadtrat Schruoffeneger glaubt daran, dass das Risiko beherrschbar bleibt. Von Beschwerden wie Kopfschmerzen und Übelkeit gibt es bislang keine Kunde – „seit Jahrzehnten war das Naphtalin verbaut, und niemand hat etwas bemerkt“. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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