Politik
Organisation des Zwangsarbeitseinsatzes in Berlin T. II.
Anmerkungen zum Arbeitseinsatz innerhalb der Berliner Stadtverwaltung, der Bezirksämter sowie der städtischen Eigenbetriebe Teil II.
Rainer Kupatzki führt in seiner Auflistung der Lager der Stadtverwaltung und der städtischen Eigenbetriebe 31 Lager an, wovon sich allein in Charlottenburg 5 dieser städtischen Lager befanden, in Wilmersdorf keines. Bei der Bewertung der Lager innerhalb der öffentlichen Verwaltung müssen auch die Gemeinschaftslager von Reichsbehörden wie Reichspost und Reichsbahn, sowie die Gemeinschaftslager des Generalinspektor für die Reichshauptstadt beachtet werden, da vielfach – je nach Bedarf diese Einrichtungen ihre Lager an den anderen Träger abtraten. Bei der Errichtung dieser Lager ist zu beachten, dass die Stadtverwaltung Berlins, die durch die Ermächtigung des GBI zum ersten Mal in ihrer Geschichte das Recht auf eigene physische Planung verloren hatte, ihre Ansprüche denen des GBI – hier vor allem dem Luftschutzprogramm und dem Ausbau der Rüstungsindustrie – unterzuordnen hatte. Sie war aber beim Lagerbau trotzdem aktiv war. Das Hauptplanungsamt, das Haupttiefbauamt, die Rechtsstellen und die entsprechenden Wirtschaftsstellen bereiteten die Standortentscheidungen vor, übernahmen zugleich die baupolizeiliche Prüfungen für den Lagerbau – selbstverständlich in einem vereinfachten und beschleunigten Verfahren – und vermieteten städtischen und bezirklichen Grundstücke für neue Lagerstandorte an die Rüstungsindustrie. Hier war vor allem die Stadt selbst Bauherr von vielen Lagern. (10) Laurenz Demps machte darauf aufmerksam, dass diese beiden Lagerarten „Städtische Ausländerlager“ und „GBI-Lager“ teilweise im Telefonbuch Berlin bzw. im Adreßbuch angeführt waren. (11) Die daraufhin vorgenommene Sichtung der Telefon- und Adreßbücher ergab, dass die „Städtischen Ausländerlager“ einheitlich der Kontingentstelle des Oberbürgermeister für Arbeitseinsatz unterstanden. So werden im Telefonbuch 1941 16 dieser Lager unter dieser Dienststellenbezeichnung aufgeführt. (12) Diese Kontingentstelle des Oberbürgermeister für Arbeitseinsatz war eine Unterabteilung der Haupttiefverwaltung – Bereich Tief K 2 unter der Leitung eines Herrn Klotz mit Sitz in der Klosterstraße – Berlin Mitte. Die Aufgabenstellung dieses Bereiches ist in entsprechenden Akten des Landesarchiv dokumentiert. Ihre Schwerpunkte waren neben den allgemeinen Themenfeldern, wie Grundsätzlicher Schriftverkehr und Abrechnung des Firmeneinsatz (hier vor allem der Einsatz innerhalb der städtischen Gesellschaften und Betriebe), hauptsächlich in der Organisation des städtischen Arbeitseinsatzes, des Lagerbau, die Lagereinrichtung, Lagerunterhaltung und deren zentrale Bewirtschaftung, sowie die Arbeiterverpflegung und -betreuung. (13) Ihr oblag auch die Koordinierung mit der Gauwaltung der DAF – Amt für Arbeitseinsatz – mit der Aufgabenstellung der Betreuung. So wies das Hauptpersonalamt HP IV 2, am 07.02. 1944 erneut u.a. die Bezirksbürgermeister darauf hin, das die Vereinbarung zwischen dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz und der Deutschen Arbeitsfront vom 02.06. 1943, dass die DAF auch »auch für ausländische Arbeitskräfte zuständig [sei], die in den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben beschäftigt werden.« (14)
Diese zentrale Koordinierung war auch deswegen notwendig, da eine Vielzahl von Gesetzen und Vorschriften, sowie Erlassen und Rundverfügungen erlassen waren – 1 175 Gesetze und Anordnungen – wie die Weser-Flugzeugbau G.m.b.H., die in Schmargendorf ein großes Lager mit 1 800 ausländischen Arbeitern unterhielt, in einem Klagebrief am 28.04. 1942 feststellte. (15)
Nur die Kontingentstelle des Oberbürgermeister für Arbeitseinsatz war berechtigt überhaupt Lager für die städtische Verwaltung zu planen, einzurichten, zu erweitern. Es ist davon auszugehen, dass manche Planungen Papier blieb, so z.B. die gemeinsame Planung mit dem GBI über die Errichtung eines 5 000 Plätze umfassenden Gemeinschaftslager an der Straße 86 in Charlottenburg Nord, wo viele kleine Lager, sowie der Bedarf an Arbeitskräften im Handwerk zusammengelegt werden sollte. Es war jedoch nicht die Aufgabe der Kontingentstelle für den Arbeitseinsatz beim Oberbürgermeister die Gewinnung von zusätzlichen deutschen und ausländischen Arbeitskräften zu organisieren. Die gesamte Planung des Arbeitskräftebedarf sowie des Einsatzes auswärtiger deutscher und ausländischer Zivilarbeiter und -angestellten innerhalb der Berliner Stadtverwaltung, sowie für die Bezirksämter und städtischen Gesellschaften und Betriebe lag alleinverantwortlich bei der Stadtverwaltung – hier dem Hauptplanungsamt –, die diesen zu organisieren und durchzuführen hatte, wie es sich über die Akten dieses Amtes des Magistrat von Gross-Berlin im Landesarchiv Berlin, erschließt. Nur das Hauptplanungsamt war für diese Aufgabenstellung zentral verantwortlich.
Alle eingesetzten ausländischen Arbeitskräfte innerhalb der Berliner Stadtverwaltung, sowie in den Bezirksämtern standen »in einem Arbeitsvertrag bei der Stadt« (16) völlig unbenommen wo sie innerhalb der Stadtverwaltung, der Bezirksämter, sowie den städtischen Gesellschaften und Eigenbetriebe eingesetzt waren. In den halbjährig erstellten Unterlagen und Statistiken des Magistrat von Gross-Berlin: Hauptplanungsamt, Organisationsamt über den Einsatz ausländischer Arbeiter vom Zeitraum April 1941 bis Oktober 1944 wird unter der Rubrik »Vollbeschäftigte Arbeiter“ immer wieder darauf hingewiesen. (17)
Diese Prinzipien des Arbeitseinsatzes wurden strikt innerhalb des Arbeitseinsatzes bei der Berliner Stadtverwaltung angewandt, wie aus der Akte: „Uebersichten über den Personalbestand in der Berliner Verwaltung während des Krieges, enthaltend genaue statistische Angaben 1941 – 1945. Ausländereinsatz der Stadt Berlin / der Bezirksämter ohne städtische Gesellschaften“ eindeutig hervorgeht. (18)
Die Stadtverwaltung der Reichshauptstadt verfügte mit der Arbeitsteilung Beschaffung der Arbeitskräfte über das Hauptplanungsamt und Unterbringung / Versorgung durch die Kontingentstelle für Arbeitseinsatz, über ein flexibles System der Arbeiterbeschaffung, was ermöglichte auswärtige Arbeitskräfte je nach Bedarf zentral vom Arbeitsamt Berlin anzufordern und einzusetzen.
Dadurch wurde vermieden, dass jede Dienststelle, jeder Stadtbezirk oder Städtische Gesellschaft und Eigenbetrieb eigenmächtig beim Arbeitsamt Kräfte anzufordern konnte. Dieses System wurde einerseits dadurch begünstigt, dass Arbeitsgenehmigungen für Ausländer die das Arbeitsamt bis 1943 ausstellte, befristete Verträge von einen halben bis zu einem Jahr waren und andererseits, dass mit weiteren Personalabbau zu rechnen war, führte doch das Reichsarbeitsministerium am 05.02. 1942 aus: „Die Einsparung von Arbeitskraft betrifft ferner alle öffentlichen Verwaltungen - ausgegangen von der Kürzung der Schriftsätze, von der Vereinheitlichung des Geschäftsverkehrs bis zum Abbau nicht unbedingt kriegswichtiger Ausgaben.“ (19) Zugleich ermöglichte die relativ große Anzahl der geschaffenen Gemeinschaftslagern seit 1938 Seitens der Stadtverwaltung und des GBI bei wechselnden Belegungszahlen nach Arbeitskräftebedarf, ein lukratives Geschäft. Firmen hatten dadurch die Möglichkeit – nutzten sie auch – Übernachtungsplätze zum Preis von je 1, - RM bei der Stadtverwaltung bzw. beim GBI zu mieten. Dies war weitaus billiger als auf eigene Kosten ein Lager einzurichten und zu betreiben. Zur Unterkunft von ausländischen Arbeitern ist noch anzumerken, dass lt. SD-Bericht aus Berlin vom 15.03. 1943 von ca. 250 000 ausländischen Arbeitskräften immer noch ca. 120 000 in Privatquartieren wohnten. (20)
Dieses System wurde auch dadurch ermöglicht, dass man sich aus Sicherheitsbedenken in Berlin lange sperrte, vor allem polnische und russische Zwangsarbeiter aufzunehmen. Auch glaubte man bei der Endsiegeuphorie 1940 nicht, dass zusätzliche Arbeitskräfte notwendig seien, da die einberufenen Angehörigen der Stadtverwaltung bald wieder nach Hause kämen. Dennoch stieg im Jahre 1941 die Zahl der ausländischen Zivilarbeiter von ca. 19 000 Anfang des Jahres auf 140 000 am Jahresende. Dennoch lag der Anteil der ausländischen Arbeitskräfte in Berlin deutlich unter dem Durchschnitt des Deutschen Reich. In Berlin arbeiteten überdurchschnittlich viele „Westarbeiter“, also Arbeitskräfte aus dem besetzten Westeuropas, die nicht selten auch freiwillig gekommen waren. Dazu kamen Arbeitskräfte aus neutralen oder verbündeten Staaten, welche auch als freiwillige Arbeitskräfte anzusehen sind. (21)
Diese Arbeitseinsatzstruktur wurde angewandt, da Berlin als Reichshauptstadt eine besondere Stellung innerhalb des Reiches als Sitz der Zentralverwaltungen einnahm und somit besonderen Sicherheitsinteressen unterlag. Darauf haben u.a. Prof. Laurenz Demps, Helmut Bräutigam und Rainer Kubatzki hingewiesen und an Hand von Dokumenten ausführlich erörtert.
Die Vermittlung von in- ausländischen Zivilarbeitern an das Hauptplanungsamt war alleinige Angelegenheit des Landes-Arbeitsamtes, denn der gesamte „Arbeitseinsatz ausländischer Zivilarbeiter“ während des 2. Weltkrieges beruhte auf der Verordnung über ausländische Arbeitnehmer vom 23.01. 1933, welche regelte, dass nur den Arbeitsämtern die Anwerbung und der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte ausschließlich vorbehalten bleibt. (22) Dennoch kam es vor, dass Betriebe und Einrichtungen versuchten eigenständig ausländische Arbeiter anzuwerben. Der Reichsarbeitsminister trat mit seiner Verordnung – V a 5760 / 74 vom 04.05. 1940 dem entgegen und teilte unmißverständlich mit: »[...] daß es unzulässig ist, Arbeitskräfte ohne die erforderliche Zustimmung der zuständigen Behörden im Auslande anzuwerben und daß sich aus einer Nichtachtung der gegebenen Weisungen für die Betriebe schwerwiegende Folgen ergeben können.« (23) Auch für die Verwaltungen der Stadtbezirke, sowie der städtischen Gesellschaften und Eigenbetriebe galt, das man einen Antrag auf Zuweisung von ausländischen Arbeitern erst dann stellen konnte, wenn man nachwies, dass der Arbeitsplatz durch einen deutschen Arbeiter – und sei es durch interne Dienstverpflichtung – nicht besetzen konnte. Bezirksämter und städtische Gesellschaften konnten lt. dieser Akte (24) ihren Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften erst nach Erfüllung des genannten Kriteriums durch Anträge auf Zuweisung von diesen beim Hauptplanungsamt stellen, was den Bedarf abzuprüfen und die geplante Zuweisung dem Landesarbeitsamt zur Genehmigung einzureichen hatte. Dessen Entscheidungen fielen nach Maßgabe des Bedarfs und der staatspolitischen Bedeutung der Arbeiten. Nach Ausbruch des Krieges zeigte sich noch eindringlicher als vorher die Notwendigkeit, den Arbeitseinsatz planvoll zu lenken und auch die Anwerbung und Vermittlung ausländischer Arbeitskräfte einheitlich nach übergeordneten Gesichtspunkten durch die Dienststellen der Arbeitseinsatzverwaltung vornehmen zu lassen; »denn nur dadurch war es möglich, die in beschränkter Zahl zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte an die Stellen des vordringlichen Bedarfs zu lenken«, wie es Dr. Max Timm formulierte. (25) Für die Überwachung des Arbeitseinsatzes ausländischer Zivilarbeiter innerhalb der Verwaltungen wurde ein Treuhänder der Arbeit für den öffentlichen Dienst eingerichtet, der berechtigt war, entsprechende Vorschriften, aber auch Strafen bei Nichteinhaltung zu erlassen. Seine Vorschriften waren auch für die Verwaltung der Reichshauptstadt bindend.
(10) Rainer Kupatzki: Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager. Standorte und Topographie in Berlin und im brandenburgischen Umland. 1939 – 1945. Berlin-Forschungen der historischen Kommission Berlin. Hrsg. von Wolfgang Rippe, Berlin 2001. S. 16.
(11) Laurenz Demps unter Mitarbeit von Reinhard Hölzer: Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterlager in der faschistischen Reichshauptstadt Berlin 1939 – 1945. Berlin, 1986. S. 12.
(12) z.B. Amtliches Fernspruchbuch für den Bezirk der Reichspostdirektion Berlin, 1941. S. 1284 u. Nachtrag / Berichtigungen S. 36.
(13) LAB: Angelegenheiten der Haupttiefverwaltung 1938. LAB. A. Rep. 010-0102. Nr. 2564 Bl. 43.
(14) Dienstblatt des Magistrat der Reichshauptstadt Berlin. Teil 1. Hauptplanungsamt / Hauptpersonalamt . Nr. 20 - 22. 11.02. 1944. S. 22.
(15) „Weser“ Flugzeugbau G.m.b.H. Bremen – Vorschläge zur vollen Ausnutzung der Arbeitskraft der Ausländer. LAB A Rep. 242. Nr. 89.Arbeitsamt Berlin.
(16) „Uebersichten über den Personalbestand in der Berliner Verwaltung während des Krieges, enthaltend genaue statistische Angaben 1941 – 1945. Ausländereinsatz der Stadt Berlin / der Bezirksämter ohne städtische Gesellschaften“ des LAB / A Rep 001-02 Bd. 3333. o. Bl. Nr.
(17) „Uebersichten über den Personalbestand in der Berliner Verwaltung während des Krieges, enthaltend genaue statistische Angaben 1941 – 1945. Ausländereinsatz der Stadt Berlin / der Bezirksämter ohne städtische Gesellschaften“ des LAB / A Rep 001-02 Bd. 3333. o. Bl. Nr.
(18) „Uebersichten über den Personalbestand in der Berliner Verwaltung während des Krieges, enthaltend genaue statistische Angaben 1941 – 1945. Ausländereinsatz der Stadt Berlin / der Bezirksämter ohne städtische Gesellschaften“ des LAB / A Rep 001-02 Bd. 3333. o. Bl. Nr.
(19) Hildebrandt: Konzentration des Arbeitseinsatzes. In: Reichsarbeitsblatt. 22. Jg. T. V. (Soziales Deutschland) Nr. 4. 05.02. 1942. S. V. 75.
(20) Boberach, Heinz: Meldungen aus dem Reich. (Nr. 367.) 15.03. 1943. Bd. 13. S. 4953 / 4957.
(21) Helmut Bräutigam: Zwangsarbeit in Berlin 1938 – 1945. in: Zwangsarbeit in Berlin 1938 – 1945.Hrsg. vom Arbeitskreis Regionalmuseen Berlin, 2003. S. 26.
(22) RGBl. T. I. Nr. 5. 26.01. 1933. S. 27.
(23) Reichsarbeitsblatt. 20. Jg. (N.F.) T. I. Nr. 16. 15.06. 1940. S. I. 252 / 253.
(24) „Uebersichten über den Personalbestand in der Berliner Verwaltung während des Krieges, enthaltend genaue statistische Angaben 1941 – 1945. Ausländereinsatz der Stadt Berlin / der Bezirksämter ohne städtische Gesellschaften“ des LAB / A Rep 001-02 Bd. 3333. o. Bl. Nr.
(25) Dr. Max Timm: Der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte in Deutschland. In: Reichsarbeitsblatt. T. V. 21. Jg. (N.F.) Nr. 34. 05.12. 1941. S. 609 / 617.
Autor:Stefan Knobloch aus Charlottenburg |
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