Wo man den Bezirk essen kann: „Urban Gardening“ erreicht die City West
Charlottenburg-Wilmersdorf. Tomatenzüchten auf Brachen, Äpfelpflücken neben Sandkästen, Kräutersammeln auf Parkwiesen: Solch bäuerlichen Spielarten des Großstadtplebens will die Verwaltung zum Teil entgegenkommen. Aber sind all die gärtnerischen Wünsche realistisch?
Die Saat im nächstbesten Beet vergraben, ordentlich wässern und schließlich mit eigener Hand ernten. Kann es so einfach sein? Ja und nein, muss die Antwort lauten. Ein zwiespältiges Ergebnis lag am Ende vor, nachdem das Bezirksamt seine Vorstellungen vom „essbaren Bezirk“ mit denen der Hobbygärtner abglich.
Die Konferenz am Nikolsburger Platz brachte alle zusammen, die im Stadtgebiet zwischen Grunewald und Zoo in Sachen „Urban Gardening“ Rang und Namen haben. Da warb Stadtplanerin Beate Wendland dafür, Smoothies aus Wildkräutern zu mixen. Da schilderte die Paula-Fürst-Schule ihre Landbau-Aktivitäten am Kracauerplatz. Da beschrieb Henning Voget vom Ziegenhof an der Danckelmannstraße, wie man Mirabellen erntet, ohne sich um das Obst zu zoffen – immerhin weilen an Spätsommertagen gerne über 200 Anwohner in der Kiezoase. „Man muss vorher einen Termin für das Wetternten bekanntgeben“, nannte er die Lösung. „Dann sind alle gleichzeitig vor Ort und niemand schnappt dem anderen vorzeitig etwas weg.“
Nicht jedes Gelände geeignet
Generell soll nach Vogets Ansicht in Sachen „essbarer Bezirk“ eine klare Devise gelten: „Wir Bürger sind die Spieler, die Behörden sind nur Mitspieler.“ Nun hat aber natürlich auch die Verwaltung ihre Sicht auf die Gärtnerfreude auf Plätzen, in Höfen und Brachen. Ziemlich ungeeignet seien stark genutzte Erholungsorte in Citylage, wo sich viele Nutzerinteressen überschneiden, warnte Walter Schläger. Als Leiter des Grünflächenamts empfiehlt er zum Beackern lieber „befriedete Grundstücke“, also Schulflächen oder Kleingärten.
Ob Spielplätze auch dazugehören sollen? Da waren die Experten uneins. So warnte ein Kritiker davor, dass Kinder Obstbäume womöglich nicht gründlich genug beernten. Die Folge: Fallobst lockt Wespen und Ratten an. Eine Ansicht, der andere Konferenzteilnehmer insofern nicht zustimmen, da sie Ernteflächen festen Paten zuordnen wollen. Gerne auch sehr jungen.
Carsten Knobloch vom Verein Parkhaus Lietzensee überlegt schon seit Längerem, wie man den Trend zum großstädtischen Gärtnern am Parkwächterhäuschen aufgreifen und in die Hände von Jugendlichen legen kann, ohne den Denkmalschutz zu verletzten. Denn in der Tat lässt sich im Bereich eines Gartendenkmals wie dem Lietzenseepark kein Feld bestellen. Aber nebenan auf einer Freifläche an der Kuno-Fischer-Straße sollte doch ein Projekt möglich sein? Stadtrat Marc Schulte (SPD) will eine Nutzung prüfen und verspricht, die einzelnen Aktivitäten künftig auf einer Internetseite vernetzen zu lassen. „Dort richten wir eine Funktion zum Anbieten und Suchen ein“, nannte Schulte den Plan.
Blumen am Nikolsburger Platz
Zugleich brachte er den Anwohnern und Stadtgärtnern am Nikolsburger Platz eine frohe Kunde: Nach jahrelanger Dürre wird das Bezirksamt diesen Ort ab sofort wieder mit einer prächtigen Blütenlandschaft ausstaffieren. Eine Budgeterhöhung im Bezirkshaushalt um 500 000 Euro für 2016 bedeuten das Ende des eisernen Sparens am floralen Schmuck. Und damit es keine Missverständnisse gibt: Die Blumen am Nikolsburger Platz sind nicht zum Essen da, sondern nur zum Betrachten. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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