Ausstellung erinnert an Schicksal des Mehmet Desde
Mehmet Desdes Augen stecken hinter starken Brillengläsern. Ihr fester Blick wendet sich so leicht nicht ab. Denn was sollte die Standhaftigkeit Desdes noch erschüttern, nachdem er mit diesen großen, ernsten Augen Folterknechte sah und gleißendes Licht und Zellenwände, sechs Jahre lang.
Dass der Deutsche die brutale Haft auf türkischem Boden ertrug, verdankt er der Post. Mehr als 6000 Briefe erreichten ihn aus aller Welt, nachdem Amnesty International auf sein Schicksal aufmerksam machte. "Briefe ins Gefängnis - Fenster zum Leben" heißt die neue Ausstellung im Rathaus Charlottenburg. Was hier zu sehen ist, sind einige der herzlichsten Zusendungen, die Amnesty International auf Einladung von Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD) der Öffentlichkeit zeigt.
"Wenn wir uns bei Reisen durch die Welt anschauen, wie es steht um Demokratie und Menschenrechte, dann wissen wir, dass unsere Maßstäbe keineswegs Alltag sind", sagt Naumann. Er wünscht sich, dass insbesondere Schulklassen ihre Lehren aus der Briefsammlung ziehen.
Zur Ausstellungseröffnung konnte Naumann Desde persönlich begrüßen. Und der zeichnete seinen Leidensweg noch einmal nach: Von der plötzlichen Verhaftung bei einem Aufenthalt in Izmir im Jahre 2002, als er eigentlich der Beerdigung seines Vaters beiwohnen wollte, wegen des Vorwurfs, Mitglied einer linken Organisation zu sein. Von seiner Weigerung, eine Schuld einzugestehen, die er nicht einsah. Bis hin zu Haft und Folter. Wer noch nichts über Desdes Fall wusste, erhält auf einer Tafel den Abriss von 2300 Tagen Martyrium.
Als Gegenmacht zur Gewalt durch türkische Behörden wirken die Briefe aus aller Welt. "Dein Mut scheint durch", "Wir denken an Dich", "Trotze den Wänden." So sprach man zu Desde. So lesen es nun Gäste im Rathaus. Sie sehen das Foto von einem lichtdurchfluteten Wald neben kindlichen Zeichnungen. Briefe von Fremden neben Briefen der Familie. "Lieber Papi, wie geht es Dir?", fragt Desdes Tochter, getrieben vom vergeblichen Wunsch auf Antwort.
"Die Briefe, die Sie lesen werden, waren mein Fenster zum Leben", erklärt der Heimgekehrte. "6000 Briefe waren es. Und jeder war die Stimme eines einzelnen Menschen", sagt er. Desdes großen Augen durchblicken den langen Flur. "Es waren verlorene Jahre. Aber ich bin stolz, dass ich nicht aufgegeben habe."
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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