Eine Stadtgeschichte von Dorothea Zöbl
Charlottenburg wurde als eine königliche Idealstadt gegründet. König Friedrich I hatte dort seiner Frau Sophie Charlotte ein Schloss errichtet. Um ihren Musentempel entstand eine Stadt. Sie entwickelte sich nicht als Marktflecken mit Handel und Gewerbe, sondern als Versorgungsstätte des höfischen Schlosses. So ging die Beschränkung bürgerlich städtischer Rechte mit der Pflege vornehmer höfischer Vergnügungen einher. Während am Hofe musiziert wurde, gab es auf der Straße offene Prügeleien. Dies alles ist der genauen Darstellung in Dorothea Zöbels Buch "Wo der König Bürgermeister war. Charlottenburger Stadtgeschichten seit 1700" zu entnehmen, das in diesem Jahr erschienen ist.
Die Autorin entwickelt ihre Darstellung an der Baugeschichte und den Bewohnern zweier Gebäude: Im ersten Teil berichtet sie über die Schlossherren und im zweiten Teil über die bürgerlichen Bewohner des Hauses Schustehrusstraße 13. Mit dieser Perspektive gelingt es der Autorin, an konkreten Lebensverhältnissen und Biografien deutsche Geschichte lebendig werden zu lassen. Es ist zwar eher eine heimatgeschichtliche Methode, aber da Charlottenburg Residenz des preußischen Herrschergeschlechts war, ist das Ergebnis Nationalgeschichte. Diese Tür hat die Autorin weit geöffnet, denn immer wieder hat sie die sich in Charlottenburg vollziehenden Ereignisse im nationalen Zusammenhang dargestellt. Das beginnt mit der Rückkehr des zum König gekrönten Kurfürsten über die damalige Königsstraße, heute Schloßstraße, das "reaktionäre Nest", über den Gefangenenzug der Berliner Demokraten von 1848, die auf halben Weg in Charlottenburg verprügelt wurden, zur Spandauer Zitadelle, die Entwicklung Charlottenburgs zur bedeutenden Industriestadt, die Klassenkämpfe in den 20er-Jahren, den Auseinandersetzungen zwischen den Kommunisten und Nationalsozialisten bis hin zum Schutz des Hauses in der Schustehrusstraße 13 vor Immobilienspekulanten durch beherzte Charlottenburger Bürger.
Die Verteidigung dieses Hauses vor dem Abriss bildet die erzählerische Klammer der Geschichtsdarstellung. Die Autorin hat viele Geschichten zu erzählen, die so manches dem Vergessen entreißen und auch bewusst Verdrängtes offenbaren. So muss die Schönheit der Königin Gottfried Wilhelm Leibniz derart in Bann geschlagen haben, dass eine poetische Ader zu sprudeln begann. Er dichtet: "Der schönsten Königin auf diesem Kreis der Erden Charlotte lebt in mir". Im selben Gedicht schlägt er vor, die Stadt nach ihrem zweiten Vornamen "Sophienburg" zu benennen.
Autor:Lokalredaktion aus Mitte |
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