Heilborns Erfolgsbuch "Reise nach Berlin" neu aufgelegt

Bärbeißige Heimatkunde: Das Schloss Charlottenburg empfindet Adolf Heilborn als einen von der Kuppel zerdrückten Riegel. | Foto: Schubert
  • Bärbeißige Heimatkunde: Das Schloss Charlottenburg empfindet Adolf Heilborn als einen von der Kuppel zerdrückten Riegel.
  • Foto: Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Charlottenburg. Er ist ein Klassiker der Reiseliteratur. Eine Berlin-Beschau mit Sympathie und Augenzwinkern. Und neben der Abhandlung etlicher Ortsteile liefert Adolf Heilborns literarische Spaziergang auch den kurzen Rundumblick im Charlottenburg der 20er-Jahre.

Eine Postkarte an Zille schreiben, das verlangt geradezu nach sprachlicher Lässlichkeit. Es muss sich vor knapp 100 Jahren begeben haben, dass der Autor Adolf Heilborn genau dies tat. Und ein "Charlottenburg" in der Adresszeile hätte da viel zu förmlich geklungen. Nein, nach "Schlorrendorf" sollte die Karte gehen. Das verstand der Postbote sehr wohl. Und Zille ja sowieso.

Dem zugrunde liegt die Annahme, dass man in Charlottenburg in den 20er-Jahren derber berlinerte als östlich des Tiergartens. Genau dort nimmt das Charlottenburg-Kapitel von Heilborns "Reise nach Berlin" seinen Anfang. Hinter dem Brandenburger Tor geht es durch den Wald gen Westen. "Welch seltsame Ouvertüre: Hüben winzige Häuschen, ganz in Grün gebettet, und drüben die ernste Masse der Technischen Hochschule und dahinter gleich das Hippodrom und das Charlottenburger Knie", beschreibt Heilborn den Hinweg. Schon damals galt der heutige Ernst-Reuter-Platz als betriebsames Rondell der Wege.

Nicht nur bei seinen Kommentaren zum Luisenplatz nimmt Heilborn den Mund gerne ein wenig voll, mischt Anschauung mit feinem Spott, der sich dann und wann aber wieder in Schwärmerei verkehrt. Obwohl er für die Berliner Morgenpost der Literatur- und Theaterlandschaft kritische Worte widmete, hatte er keineswegs von Haus aus die Feder in der Hand. 1873 in Berlin geboren, verschrieb sich der Kaufmannssohn erst dem Arztberuf, um nach dem Krieg das Feld zu wechseln. Durchaus mit Erfolg, wie es die Tatsache zeigt, dass sein Buch "Der Mensch der Urzeit" bald zur Schullektüre schaffte. Zupass kam Heilborn dabei seine Neigung, Wissenschaftliches mit der Anschauung eines Laien zu vermengen - ein Trend dieser Zeit.

Und so liest sich "Die Reise nach Berlin", 1925 erstmals erschienen und jetzt im Verlag VBB neu aufgelegt, ein wenig so, als sei es ein aus der Zeit gefallener Wegweiser für Touristen. In der Gemengelage aus Information und Unterhaltung finden sich auch Versuche von Architekturkritik. Denen sind gerade die größten Baudenkmäler gut genug.

Ins Visier nimmt Heilborn etwa das "riesenlange Schloss des ersten Preußenkönigs und der leibnizisch-philosophischen Sophie-Charlotte". Dessen Aufbau sieht für ihn aus, "als wäre er eben von der hohen, trotz allen Durchbruchs massiven Kuppel flach und platt gedrückt. Und die flatternde, goldene Puppe darauf amüsiere sich darüber". Das also ist Schloss Schlorrendorf.

Adolf Heilborns "Die Reise nach Berlin" mit 135 Seiten ist im Verlag VBB neu erschienen. ISBN: 978-3-942476-87-4.
Thomas Schubert / tsc
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 558× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 844× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 819× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 1.197× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.