Heilborns Erfolgsbuch "Reise nach Berlin" neu aufgelegt
Eine Postkarte an Zille schreiben, das verlangt geradezu nach sprachlicher Lässlichkeit. Es muss sich vor knapp 100 Jahren begeben haben, dass der Autor Adolf Heilborn genau dies tat. Und ein "Charlottenburg" in der Adresszeile hätte da viel zu förmlich geklungen. Nein, nach "Schlorrendorf" sollte die Karte gehen. Das verstand der Postbote sehr wohl. Und Zille ja sowieso.
Dem zugrunde liegt die Annahme, dass man in Charlottenburg in den 20er-Jahren derber berlinerte als östlich des Tiergartens. Genau dort nimmt das Charlottenburg-Kapitel von Heilborns "Reise nach Berlin" seinen Anfang. Hinter dem Brandenburger Tor geht es durch den Wald gen Westen. "Welch seltsame Ouvertüre: Hüben winzige Häuschen, ganz in Grün gebettet, und drüben die ernste Masse der Technischen Hochschule und dahinter gleich das Hippodrom und das Charlottenburger Knie", beschreibt Heilborn den Hinweg. Schon damals galt der heutige Ernst-Reuter-Platz als betriebsames Rondell der Wege.
Nicht nur bei seinen Kommentaren zum Luisenplatz nimmt Heilborn den Mund gerne ein wenig voll, mischt Anschauung mit feinem Spott, der sich dann und wann aber wieder in Schwärmerei verkehrt. Obwohl er für die Berliner Morgenpost der Literatur- und Theaterlandschaft kritische Worte widmete, hatte er keineswegs von Haus aus die Feder in der Hand. 1873 in Berlin geboren, verschrieb sich der Kaufmannssohn erst dem Arztberuf, um nach dem Krieg das Feld zu wechseln. Durchaus mit Erfolg, wie es die Tatsache zeigt, dass sein Buch "Der Mensch der Urzeit" bald zur Schullektüre schaffte. Zupass kam Heilborn dabei seine Neigung, Wissenschaftliches mit der Anschauung eines Laien zu vermengen - ein Trend dieser Zeit.
Und so liest sich "Die Reise nach Berlin", 1925 erstmals erschienen und jetzt im Verlag VBB neu aufgelegt, ein wenig so, als sei es ein aus der Zeit gefallener Wegweiser für Touristen. In der Gemengelage aus Information und Unterhaltung finden sich auch Versuche von Architekturkritik. Denen sind gerade die größten Baudenkmäler gut genug.
Ins Visier nimmt Heilborn etwa das "riesenlange Schloss des ersten Preußenkönigs und der leibnizisch-philosophischen Sophie-Charlotte". Dessen Aufbau sieht für ihn aus, "als wäre er eben von der hohen, trotz allen Durchbruchs massiven Kuppel flach und platt gedrückt. Und die flatternde, goldene Puppe darauf amüsiere sich darüber". Das also ist Schloss Schlorrendorf.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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