Mitwirkende der Bürger-Uni ziehen eine erste Bilanz
Tobias Stapf ist nicht eben der Dekan, wie er im Buche steht. Und ein Abschlusszeugnis wird man bei ihm auch nie bekommen. Seine Studenten schreiben keine Zwischenprüfung, das Nachbarschaftszentrum Divan ist kein Hörsaal, und die Lehrenden sind keine Dozenten. Die Bürger-Uni Klausenerplatz ist eine Angelegenheit für Amateure - aber im besten Sinne. Und gerade weil hier so viel Herz im Spiel ist und so wenig Strenge, gelangt das Wissen ganz unverkrampft in die Köpfe. Deshalb wissen die Teilnehmer nach ihren Seminaren, wie man türkische Appetithappen kredenzt, wie man den Computer bändigt, ja sogar wie man eine Geschäftsidee zur Marktreife bringt.
Jeder lehrt, was er zu können meint. Und lernt im Gegenzug, was er möchte. Das ist das Konzept, welches Tobias Stapf im März 2013 aus London importierte. An seinem früheren Wohnort hatte ihn die "Citizen University" begeistert. Also schuf er nach seinem Zuzug in Charlottenburg mit Unterstützung durch die EU und das Land Berlin die hiesige Variante. "Es geht bei uns um den Wissensaustausch" sagt der junge Vater. Die Vorstellung, dass man dazu ein ausgewiesener Experte sein muss? Stapf nennt es eine Barriere. "Viel wichtiger ist doch, dass man einen echten Bezug zu seinem Thema hat und die richtige Motivation."
In seiner Runde findet er Mitstreiter mit verschiedensten Berufshintergründen und Leidenschaften. Da sitzt eine Kinderkrankenschwester mit Neugier für die Esskultur fremder Länder. Ihr gegenüber: Yasemin, die ihr genau das bieten kann, dafür noch besser Deutsch lernen möchte. Annett braucht Elektrikerkenntnisse für ihre heimische Dauerbaustelle, Angela unterrichtet sicheres Surfen im Internet. Elmar hat eine Firma gegründet und will Nachahmer vor den Fehlern bewahren, die ihm fast zum Verhängnis wurden. Und Sarah wird ihren Hörern demnächst beibringen können, wie sie die Wegwerfquote bei Lebensmittel drastisch senken.
Natürlich lief im ersten "Semester" der Bürger-Uni nicht alles perfekt. "Es gab viele Interessenten, aber bei meinem Termin hatten nur wenige Zeit", nennt Sarah ein typisches Problem. Im nächsten Durchgang, dessen Planung jetzt begonnen hat, fließen alle Erkenntnisse aus der ersten Runde mit ein. Und auch weiterhin hält diese Akademie der Amateure nicht viel von Elitedenken. Wenn man seine Lieben daheim mit einem türkischen Dessert verwöhnen kann - wozu braucht es da noch ein Diplom?
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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