SPD und Grüne fordern öffentliche Toiletten in Supermärkten
Es gibt dringlichere Bedürfnisse als den Wochenendeinkauf. Und nicht jeder kann seinem Harndrang so lange Einhalt gebieten, bis die heimische Toilette erreicht ist. Also will die Politik Einrichtungen in die Pflicht nehmen, die ihre Dienste für die Nahversorgung bisher WC-frei anboten. Neue oder umgebaute Supermärkte mit Flächen ab 800 Quadratmetern sollen künftig Kundenklos bereitstellen - frei zugänglich, barrierefrei und kostenlos. Einzug halten sollen auch Sitzbereiche für Senioren.
So will es ein Antrag der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Heike Schmitt-Schmelz. Er findet im Stadtentwicklungsausschuss eine Mehrheit und hält das Bezirksamt dazu an, bei den zuständigen Stellen auf eine Umsetzung zu drängen. Erforderlich ist letztlich eine Änderung der Ausführungsvorschrift auf Landesebene. Dass diese Maßnahmen gerade für betagte Kunden ein Segen wären, stellt Grünen-Sprecher Volker Heise heraus. "Man muss vor allem für Menschen im höheren Alter sicherstellen, dass sie ihre Notdurft verrichten können", sagt er. Die ablehnende Haltung des Einzelhandels, der allenfalls in großen Märkten Kundentoiletten betreibt, hält Heise für "technokratisch und feindlich gegenüber solchen Menschen".
Kritisch zu diesem Vorstoß äußert sich nicht nur erwartungsgemäß der Handelsverband Berlin-Brandenburg, sondern auch die CDU-Fraktion des Bezirks. Zwar erkennt auch deren Sprecher Arne Herz durchaus den akuten Mangel an öffentlichen Klos - "aber wir dürfen das nicht den Handeltreibenden aufbürden". Weiterhin verweist Christdemokrat Stefan Häntsch darauf, dass der WC-Mangel im Grunde hausgemacht sei: "Es kann nicht sein, dass man Dinge, aus denen sich der Staat verabschiedet hat, jetzt auf Private abwälzt." Häntsch bringt stattdessen öffentliche Toiletten ins Gespräch, die funktionstüchtig sind, deren Türen aber zu sind. Er schlägt vor, solche stillen Örtchen - wie an Bahnhöfen - wieder gangbar zu machen.
Toiletten gehören zur Gastlichkeit
Ein Kommentar von Thomas Schubert
In einer Stadt, in der so ziemlich jede dunkle Ecke den Mangel an kostenlosen öffentlichen Toiletten riechbar macht, reift eine Erkenntnis heran. Die Menschen haben sich ihre Notdurft lange genug verkniffen. Lange genug haben es manche von ihnen den Verantwortlichen durch Wildpinkeln heimgezahlt, dass man Sanitäranlagen erst lange suchen muss und dann zahlen soll. Für etwas, das einmal das Selbstverständlichste der Welt war und es in anderen europäischen Metropolen wieder ist. Kostenfreie, saubere, barrierefreie WCs vorzuhalten ist ein Stück Gastlichkeit. Dass SPD und Grüne im Bezirk Supermärkte dafür in die Pflicht nehmen wollen, lenkt nur davon ab, wie sich der Staat aus einem wichtigen Bereich seiner Fürsorge verabschiedet - zu Lasten von Alten, Kranken und Kindern. Es wird Zeit, dass sich Politiker und Private an einen Tisch setzen und ein gemeinsames Konzept entwickeln. Warum nicht stille Örtchen mit Werbung finanzieren? Warum sich nicht durch Großzügigkeit abheben von anderen Bezirken oder einer kleinlich knausernden Konkurrenz? Die Zeit ist reif für eine Willkommenskultur - auch in diesem Sinne.
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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