Bahnhofsmission will nach dem großen Ausbau neue Wege gehen

Baustart per Knopfdruck: Joachim Lenz, Frank-Walter Steinmeier, Ute Möbus und Rüdiger Grube drücken zu Beginn des Ausbaus der Bahnhofsmission eine rote Taste. | Foto: Thomas Schubert
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Charlottenburg. Neue Räume für Beratung und Kunst, ja sogar Zellen für Meditation: Die Stadtmission weitet 2018 ihr Angebot für Obdachlose im Bahnhof Zoo auf alle Berliner aus. Auch dank Frank-Walter Steinmeier.

Gefängniszellen. Karge, enge Gefängniszellen. Die Türen haben Schlitze zur Beobachtung der Häftlinge. Was soll man damit bloß anfangen an einem sozialen Ort? Die Berliner Stadtmission hatte da eine Idee. Wenn sie im Frühjahr 2018 fertig wird mit der Erweiterung ihrer Räume im Bahnhof Zoo von 250 auf künftig 750 Quadratmeter, bekommen diese früheren Haftzellen der Bundespolizei eine neue Bestimmung. Müde und gestresste Berliner können dann einkehren und finden einen stillen Ort für Achtsamkeit. Aus Zellen werden gemütlich eingerichtete Kammern für Momente der Meditation. Sie sind Teil eines neuen Veranstaltungszentrums, wie man es in Berlin bislang nicht kannte.

„Pull-Effekt“ abschwächen

Bisher ist die Bahnhofsmission am Zoologischen Garten als Hilfseinrichtung für Bedürftige und Obdachlose bekannt. So bekannt, dass ein „Pull-Effekt“ entstand, wie es Stadtmissions-Vorstand Joachim Lenz umschreibt. Soll heißen: Dass Obdachlose hier ein warmes Essen bekommen und im Hygienecenter duschen können, sprach sich weit außerhalb Berlins herum. Der Bahnhof Zoo ist mittlerweile auch Anziehungspunkt für die Ärmsten Osteuropas.

Inzwischen sind sich alle Anrainer in der City West und beim Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf einig, dass noch mehr Kapazität für noch mehr Bedürftige an ein und demselben Ort das falsche Zeichen wäre. So erklärte kürzlich AG City-Vorstand Klaus-Jürgen Meier: „Im Sinne der Anrainer, der Gewerbetreibenden und des Bezirksamts sollte diese verantwortungsvolle Arbeit nicht nur an einem Standort geleistet werden.“

Und Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) schloss sich an, als er sagte: „Vergleichbare Angebote wie die Bahnhofsmission am Zoo müssen zwingend auch an anderer Stelle generiert werden.“

Die Botschaft des Umbauprojekts am Zoo heißt deshalb: Ja zu mehr Platz und mehr Service. Aber im Sinne eines anderen Konzepts. Es geht ausdrücklich nicht darum, den „Pull-Effekt“ weiter zu verstärken und noch mehr Obdachlose zu verpflegen. So haben es die evangelische Stadtmission und die Deutsche Bahn, die alle Baukosten trägt, miteinander vereinbart. Zehn Millionen Euro in zehn Jahren zahlt die Bahn laut Ute Möbus von DB Station & Service aus eigener Tasche für dieses Projekt. Wasser und Strom fließen für die Stadtmission gratis.

Meditation in der Kammer

Zu den neu erschlossenen Katakomben unter dem S-Bahnsteig des Bahnhofs gehört beispielsweise ein Veranstaltungsraum für Präsentationen über Sozialarbeit. Die 650 bis 700 bedürftigen Tischgäste bleiben hingegen in den bisherigen Räumen der Bahnhofsmission. Sie erhalten weiter Einlass durch den Eingang in der Jebensstraße. Das Portal für die neuen Angebote liegt künftig neben den Räumen der Polizei am Hardenbergplatz. Von hier aus wird man auch zu den neuen Meditationskammern gelangen. „Stille ist in der Stadt ein hohes Gut“, freut sich Andreas Schlamm, der Bildungsexperte der Stadtmission, ein Bedürfnis zu erfüllen, das im Rummel der City oft zu kurz kommt: der Wunsch nach Rückzug. „Bei uns kann man in Ruhe mal ein Buch lesen. Oder einfach abschalten“, erklärt Schlamm. „Alle Teile der Bevölkerung werden willkommen sein.“

Außerdem widmet sich das neue Zentrum der Stadtmission speziellen Zielgruppen – zum Beispiel Menschen, die wegen ihrer Demenz auf der Straße landen. Ein Beratungsbereich trägt den symbolhaften Namen „Die Brücke“. Und auch der evangelische Blindendienst wird in den erweiterten Räumen im Bahnhof Zoo heimisch. Er entwickelt Angebote für hilfsbedürftige Reisende und richtet sich an Kunden der Deutschen Bahn.

Passender Name gesucht

Konzernchef Rüdiger Grube, ein Freund des Bahnhofsmissionschefs Dieter Puhl, gab dem Projekt persönlich seinen Segen. Und Außenminister Frank-Walter Steinmeier stiftete dafür nicht nur 50 000 Euro, sondern schwang auch in Bauarbeitermanier einen Vorschlaghammer. Neben praktischen Fertigkeiten versteht Steinmeier auch die Theorie: Seine Doktorarbeit handelt von der rechtlichen Situation von Obdachlosen.

Jetzt sucht die Stadtmission für ihr Projekt noch einem griffigen Namen. Denn der Arbeitstitel „Veranstaltungs- und Beratungszentrum“ klingt derzeit eher nach einer Bank als nach der Bahnhofsmission am Zoo. tsc

Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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