Flüchtlingsstrom mit Folgen
Charlottenburg-Wilmersdorf. Spätestens mit der Unterbringung von über 550 Flüchtlingen im Rathaus Wilmersdorf muss der Bezirk prüfen, wie er auf den wachsenden Andrang reagieren will. Bürgermeister Naumann sieht die Willkommensklassen am Limit. Dafür will TU Präsident Thomsen Asylbewerber an den Campus holen.
Trocknende Kinderwäsche in den Fenstern von früheren Amtsstuben – ein Bild mit Symbolwert für die Geschehnisse dieser Tage. Im früheren Rathaus Wilmersdorf sorgen der Arbeiter-Samariter-Bund und 150 ehrenamtliche Helfer, organisiert durch das Netzwerk „Wilmersdorf hilft“, für die neuen Bewohner. Und die aktuelle Schätzung des Senats, wonach in diesem Jahr 40.000 Asylbewerber Berlin erreichen werden, lässt erahnen, dass dieser Willkommenskultur in der City West weitere Bewährungsproben bevorstehen.
Für schnelle Registrierung sorgen
Auf Seiten der Bezirkspolitik gilt die Sorge vor allem einer möglichst schnellen Registrierung der eintreffenden Flüchtlinge. Denn erst dadurch wird der Zugang zu Sozial- und Gesundheitsleistungen gesichert. Und nachdem das tagelange Ausharren der neuen Asylbewerber vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) im ganzen Land für Schlagzeilen sorgte, praktiziert das Amt jetzt ein anderes Verfahren: Es schickt seine Mitarbeiter direkt in die Wohneinrichtungen, wo die Registrierung vor Ort geschieht. Ein Schritt, den Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) ausdrücklich begrüßt. Aber wenngleich die Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung in Charlottenburg und Wilmersdorf Maßstäbe setzt, kommen auf das Bezirksamt Probleme zu, die sich durch Zivilcourage allein nicht lösen lassen.
Unterricht vor Ort
Neun Willkommensklassen ermöglichen derzeit den jungen Neuankömmlingen einen Anschluss in Sachen Bildung. „Aber in Zukunft werden wir wohl nicht mehr alle Schulpflichtigen beschulen können“, befürchtet Naumann. Als Alternative nennt er Unterricht vor Ort in den Einrichtungen. Und die ganz kleinen Flüchtlinge? Sie könnten in einer Kita Platz finden, die angedacht ist für das Heim in der Eschenallee in Westend – und zwar ausdrücklich auch für den Nachwuchs aus der angestammten Nachbarschaft. Naumann spricht von einem „Win-Win“.
200 Plätze mehr
Am Standort Eschenallee – in der ehemaligen Psychiatrie der Charité – laufen derzeit die Planungen von der Umwandlung von einer Not- in eine Gemeinschaftsunterkunft mit 500 statt bisher 300 Plätzen.
Auch hier funktioniert die Unterstützung aus der Bürgerschaft dank der Initiative „Willkommen in Westend“ bislang auf professionelle Weise. Und bei diesem Netzwerk hat die Idee für einen sozialen Treffpunkt auch ihren Ursprung. Nun läuft es also zunächst auf eine Kita hinaus, während eine andere Planung nicht mehr zur Diskussion steht. Denn eine Erwägung des Berliner Immobilienmanagements (BIM), baufällige Teile des Grundstücks mit Zäunen vom Hauptgebäude abzutrennen, hatte der Bezirk entschieden abgelehnt, vor allem wegen einer kritischen Symbolwirkung der hohen Barrikaden.
Barrieren abbauen
Ohne Barrieren auskommen möchte auch Christian Thomsen, Präsident der Technischen Universität Berlin. Im Gegenteil: Er baut sogar auf Lust an der Bildung bei talentierten Asylbewerbern aus Krisenstaaten. „Wenn 50.000 Menschen hierher kommen, dann wird ein gewisser Prozentsatz an bildungsinteressierten Personen dabei sein, die studieren wollen“, sagte er im Gespräch mit der Berliner Zeitung. „Wir würden gerne in Asylbewerberheimen und Notunterkünften Flyer auslegen, die über die Möglichkeit des Studiums informieren.“ Und das Verständigungsproblem? Dem könne man in seinem Hause dadurch Herr werden, dass bei bestimmten Veranstaltungen englische Sprache verbindlich wird. tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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