Im Zentrum am Zoo treffen sich Menschen mit und ohne Wohnung
Es ist kein traditioneller Ort, den der "Kiez-Kompass" der Berliner Woche dieses Mal unter die Lupe nimmt. Im Gegenteil, er entsteht gerade erst. Dafür eignet er sich bestens, um sich selber mal wieder einzunorden. Er heißt "Zentrum am Zoo", befindet sich am Hardenbergplatz 13 und hat seine Tätigkeit kürzlich offiziell aufgenommen.
Die Berliner Stadtmission möchte mit diesem Projekt nicht nur Obdachlosen dabei helfen, wieder ein Bein auf den Boden der Gesellschaft zu bringen. Sie möchte eine Begegnungsstätte schaffen, in der Menschen mit Dach über dem Kopf sich über die Thematik, über die Schicksale Betroffener informieren, Verständnis und Mitgefühl für sie entwickeln. „Herzensbildung“ nennt Ortrud Wohlwend, Sprecherin der Stadtmission, das.
Mobile Einzelfallhelfer stärken
Keimzelle für den neuen Fixpunkt der Nächstenliebe war ausgerechnet ein bewegliches Projekt: die „Mobilen Einzelfallhelfer“ der Stadtmission. Seit fünf Jahren suchen und finden ihre Streetworker Personen am Rande der Gesellschaft, die sich bereits aufgegeben haben. „Ein Spendenprojekt“, sagt Wohlwend. 200 mit Steuergeldern finanzierte Arbeitsstunden seien einfach schlecht zu vermitteln. „So lange braucht es aber, um diese Menschen wieder aufzurichten und von der Straße zu holen. Und wir sagen, es lohnt sich, um jeden einzelnen zu ringen. Für uns ist es einfach auch ein Unterschied, ob jemand hinter einem Busch verendet oder in einem Bett.“ Die Einzelfallhelfer hatten jedenfalls kein eigenes Büro, mussten ihre Teamsitzungen im Gemeinschaftsbüro der Bahnhofmission in der Jebensstraße abhalten. „Überhaupt hat sich vieles bei der Bahnhofsmission kumuliert, deshalb haben wir schon länger nach einem Raum gesucht und uns über ein ganzheitliches, neues Konzept Gedanken gemacht.“
25 Jahre kostenlos nutzen
Der Platz ist jetzt gefunden. Auf den 500 Quadratmetern, welche die Deutsche Bahn der Stadtmission jetzt zur Verfügung gestellt hat – 25 Jahre lang bei kostenfreier Nutzung – sollen die Streetworker ihr Büro bekommen. „Wir hätten gerne außer der schulmedizinischen Versorgung auch einen psychiatrischen Dienst im Haus“, sagt Wohlwend. Nicht selten würde die Klientel unter psychischen Erkrankungen leiden. „Aber wenn wir die Menschen dann zur Behandlung irgendwo hinschicken würden, kämen sie dort mit Sicherheit nie an.“
"Obdachlose fallen nicht vom Himmel"
Versorgung, Beratung und Begleitung, das ist die eine Säule, mit der die Stadtmission im Zentrum am Zoo aktiv die Obdachlosen der Stadt – 4000 bis 6000 sind es wohl – zusätzlich unterstützen möchte. Die andere soll erst noch gemeißelt werden. Bewusstseinsbildung kann man es nennen, was die Einrichtung vorhat. Ob über kulturelle Veranstaltungen, den Dialog mit Betroffenen oder Experten, die Infotour durch das Gebäude – Berliner, denen es besser geht, sollen für die Lage der Obdachlosen sensibilisiert werden. „Die fallen ja nicht vom Himmel“, sagt Wohlwend. „Da steckt immer ein Schicksal dahinter.“ Zuletzt wurden die Räumlichkeiten am Hardenbergplatz von der Bundespolizei genutzt. „Eine Arrestzelle wird bleiben“, sagt sie. "Manche glauben ja, für die Obdachlosen sei eine Nacht in der Zelle besser als auf der Straße. Bei uns können sie einmal ein Gefühl davon bekommen, ob das tatsächlich so ist.“
Bei der Vorstellung des neuen Zentrums führten Schüler der Paula-Fürst-Schule eine Szene auf, in dem einem obdachlosen Menschen sein Hund und persönliche Habe gestohlen werden. „Die Szene aus ihrem Theaterstück ,Das andere Einmaleins’ ist ein Beispiel, wie sich Kinder intensiv und kreativ mit der Not von obdachlosen Menschen auseinandersetzen können.“
Es war auch kein Zufall, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Projekt bei der Präsentation mit seiner Anwesenheit unterstützte. „Er ist mal eine ganze Nacht lang mit dem Kältebus mitgefahren und hat dabei bei den Obdachlosen einen blendende Figur gemacht. Weil er sich auf Augenhöhe mit ihnen begeben hat“, berichtet Wohlwend. Auch Gönner und DB-Chef Richard Lutz muss sich längst keiner Herzensbildung mehr unterziehen. „Wir liegen inhaltlich sehr eng beieinander. Er kommt schon mal mit seiner Frau vorbei, um ein Regal aufzubauen.“
Bodenhaftung behalten
Das Zentrum am Zoo ist sicher kein „Lieblingsort“, wie man ihn aus dem "Kiez-Kompass" sonst kennt. Es ist aber ein Ort, der einem hilft, Berührungsängste abzubauen, die Bodenhaftung zu behalten oder einfach nur, "um zu begreifen, dass man selber mächtig Glück hatte, in einer behüteten Familie aufwachsen zu dürfen“, wie es Wohlwend formuliert. Ein Besuch schadet also nicht.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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