Berliner Stadtmission erzählt von ihrer Arbeit
"Obdachlosigkeit ist die prekärste Form der Armut"

Michael Kraft ist der neue Leiter des "Zentrums am Zoo" der Berliner Stadtmission. | Foto: Ulrike Kiefert
6Bilder
  • Michael Kraft ist der neue Leiter des "Zentrums am Zoo" der Berliner Stadtmission.
  • Foto: Ulrike Kiefert
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Bahnhof Zoo, Alexanderplatz, Friedrichstraße, Hauptbahnhof: Obdachlosigkeit findet sich an vielen Hotspots in der Stadt. Berlin will sie bis 2030 beenden. Doch bei der Stadtmission ist man skeptisch.

Wer durch die Innenstadt läuft, sieht sie mittlerweile fast überall. Schlafplätze unter der Brücke am Bahnhof Zoo und am Savignyplatz, am Bahnhof Friedrichstraße, unweit vom Tränenpalast und dem Fluchtdenkmal. Matratzen am Landwehrkanal, Zelte auf der Grünfläche zwischen Lehrter Kiez und Hauptbahnhof, Nachtlager unter U-Bahnbögen und in Hauseingängen in Prenzlauer Berg. Kein schöner Anblick für Berliner und Touristen, mag da so mancher meinen. Tatsächlich ist die Obdachlosigkeit ein Dauerproblem in der Hauptstadt. Das wissen auch Berlins Politiker. Bis 2030 wollen sie der Obdachlosigkeit ein Ende setzen. So steht es im Berliner "Masterplan zur Überwindung unfreiwilliger Wohnungs- und Obdachlosigkeit“.

Wohnungslosigkeit nimmt zu

Wie viele Frauen und Männer ohne Obdach sind, lässt sich schwer beziffern. Verlässliche Zahlen gibt es nicht. In einer ersten berlinweiten Zählung im Januar 2020 trafen die Zählteams in den Bezirken knapp 2000 Menschen an. Beratungs- und Anlaufstellen für obdachlose Menschen wie die Berliner Stadtmission am Bahnhof Zoo gehen von weitaus höheren Zahlen aus. Rund 10 000 seien obdachlos, etwa 50 000 wohnungslos, schätzt Martin Zwick, Vorstand der Bahnhofsmission – Tendenz steigend, denn die Wohnungslosigkeit nimmt zu. Bei der Stadtmission ist man deshalb skeptisch, ob die Obdachlosigkeit bis 2030 beendet werden kann. Selbst Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) bezweifelte kürzlich bei seinem Besuch in der Berliner Stadtmission am Zoo, ob das zu schaffen ist, und mahnte mehr Präventivarbeit in den Bezirken an. Der Stadtmission versprach Müller, das Thema Obdachlosigkeit in den Bundestag mitnehmen zu wollen. Der SPD-Politiker kandidiert bei den Wahlen Ende September nicht mehr für das Amt des Regierenden.

Prävention immer wichtiger

Bei der Berliner Stadtmission ist die Prävention schon lange ein Schwerpunkt ihrer Arbeit, um Wohnungslosigkeit möglichst zu verhindern. Man arbeite hier mit den Bezirken auch gut zusammen, sagt Zwick. Über soziale und ambulante Hilfen zum Beispiel, damit Obdachlose und Wohnungslose etwa in Gemeinschaftsunterkünften unterkommen. Erste Hilfe leistet auch die mobile Einzelfallhilfe der Stadtmission. Zwei Psychologinnen und eine Sozialarbeiterin suchen rund um den S-Bahn-Ring Menschen in prekären Situationen auf, sprechen sie an und leisten erste Hilfe. Auch eine Seelsorgerin ist als „Mutmacherin“ am Bahnhof Zoo unterwegs. Fürs Bilden bietet die Stadtmission in ihrem Zentrum am Zoo Seminare und Workshops an – auch für Schulklassen.

Berliner für das Thema sensibilisieren

Denn es geht auch darum, die Berliner für das Thema zu sensibilisieren. „Obdachlosigkeit ist die prekärste Form der Armut, das muss man sich bewusst machen“, sagt Michael Kraft, neuer Leiter des „Zentrums am Zoo“. Sie zu bekämpfen, sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Doch in der Stadtmission weiß man auch: Obdachlose wird es in Großstädten wie Berlin immer geben. „Wegen ihrer Anonymität“, sagt Kraft. Was aber gibt man in der Stadtmission Berlinern mit auf den Weg, die für die sichtbare Obdachlosigkeit in ihrer Stadt wenig Verständnis haben? „Versuchen Sie eine Beziehung zu dem obdachlosen Menschen aufzubauen, den sie auf der Straße treffen“, sagt Martin Zwick. „Sie werden die Erfahrung machen, es kann auch Sie treffen.“

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

52 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile freut sich auf Ihren Besuch. | Foto: privat

Optik an der Zeile
16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024

40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir immer noch in diesem Jahr 2024. Feiern Sie mit uns und profitieren Sie von unseren Jubiläumsangeboten. Kommen Sie zu uns und staunen Sie über die Vielfalt der Angebote. Anlässlich unserer 16. Brillenmesse vom 5. bis 7. Dezember 2024 bieten wir Ihnen die gesamte Kollektion namhafter Designer. Sie können aus einer riesigen Auswahl Ihre Brille finden. Mit vielen schönen Brillengestellen und den Brillengläsern von Essilor und...

  • Märkisches Viertel
  • 13.11.24
  • 88× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 427× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wie Sie Rückenschmerzen durch fortschrittliche Behandlungskonzepte in den Griff bekommen, erfahren Sie am 3. Dezember. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Ihre Optionen bei Beschwerden
Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule

Um "Moderne Therapien an der Lendenwirbelsäule – Ihre Optionen bei Beschwerden" geht es beim Patienteninformationsabend am Dienstag, 3. Dezember. Rückenschmerzen, Ischias-Beschwerden und Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule gehören zu den häufigsten orthopädischen Problemen. An diesem Infoabend erhalten Sie Einblicke in aktuelle Therapiemöglichkeiten und fortschrittliche Behandlungskonzepte. Unser Wirbelsäulenspezialist Tim Rumler-von Rüden erklärt, wie moderne Technologien...

  • Reinickendorf
  • 07.11.24
  • 398× gelesen
  • 1
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 830× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.