Hinsehen statt wegsehen
Poelchau-Schulklassen versorgen Obdachlose mit Heißgetränken
Die Sportschule im Olympiapark - Poelchau-Schule in Westend trägt seit zwei Jahren den Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Dabei handelt es sich nicht nur um ein Etikett, wie sie mit der am 3. Dezember gestarteten Aktion „Hinsehen statt wegsehen“ beweist.
Lehrerin Theresa Zilles rückte mit ihrem Oberstufenkurs aus, um am Bahnhof Zoo Obdachlose mit Kaffee, Tee und Gebäck zu versorgen. „Ich finde, man engagiert sich selbst einfach zu wenig“, beschreibt sie den Antrieb, ihre Idee im Lehrerzimmer vorgetragen zu haben. Einmal pro Woche will sie mit stets einer anderen Klasse den Obdachlosen an der Bahnhofmission etwas Gutes tun. „Wir sind mit der U-Bahn so schnell hier, es muss lediglich eine Doppelstunde geopfert werden“, sagt sie.
Bei Schulleiter Matthias-Carsten Rösner lief Zilles offene Türen ein und auch ihre Kollegen spielen mit. Sie hat einen Winterplan für die Aktion entwickelt, wonach in den nächsten Wochen und Monaten immer andere Klassen die Obdachlosen montags unterstützen. Zunächst Kurse aus der Oberstufe, aber auch die neunten und zehnten Klassen sollen ins Boot geholt werden. „Jüngere nicht. Die Obdachlosen haben zum Teil zu harte Schicksale.“
Es geht nicht nur um die gute Tat. Zilles möchte auch Klischees und Vorurteile abgebaut sowie Verständnis für Menschen am Rande der Gesellschaft geweckt wissen. „Es ist ja schon gewonnen, wenn despektierliche Ausdrücke – beispielsweise Penner – aus dem Wortschatz verschwinden.“ Eigentlich war es ihr am 3. Dezember auch viel zu warm. „Es wäre für die Schüler schon lehrreicher gewesen, am eigenen Leib zu erfahren, wie es ist, bei Eiseskälte auf der Straße zu leben.“ Die Kunstlehrerin war mit dem Effekt trotzdem sehr zufrieden. „Die Schüler machen das ganz toll, sie gehen sehr offen auf die Bedürftigen zu. Und die wiederum sind sehr dankbar und freuen sich, dass sich junge Menschen um sie sorgen.“ Die Bahnhofsmission gutiere die Initiative übrigens, sagte Zilles, weil sie sie auch ein bisschen entlasten würde.
Selbstgebackene Kekse hat ihr Kurs mitgebracht. Tee und Kaffee gingen schnell zur Neige. „Das ist was, was diese Schüler zusätzlich zu ihren Erfahrungen an die nächste Klasse weitertragen können: mehr mitzubringen.“ Sascha-Alexander Bundt bediente die große Kaffee-Thermoskanne. „Macht schon betroffen. Und es wird einem bewusst, wie gut man es hat zu Hause.“ Auch Fynn-Henry Funke hat die Aktion beeindruckt. „Ich finde das richtig gut, dass wir das machen. Es öffnet einem die Augen. Viele verbinden mit Obdachlosigkeit gleich mit Drogen, das ist zum Beispiel ja überhaupt nicht so.“ Theresa Zilles hofft, dass viele Klassen ihrer, aber auch anderer Schulen zu Nachahmern werden. Und zwar nicht nur zur Weihnachtszeit, wenn sowieso die Stimmung eine sehr barmherzige ist. „Da hat mir die Bahnhofsmission einmal die Augen geöffnet. Die Kälte hört nicht mit Ende des Fests auf.“
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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