Wo Obdachlose Obdach finden: Kältehilfesaison startet
Charlottenburg. Knapp 500 Schlafplätze für etwa 5000 Obdachlose – erneut herrscht in Berlin zu Beginn der Kältehilfesaison akuter Mangel. Speziell in Charlottenburg dürften Übernachtungsorte knapp werden. Doch es will ohnehin nicht jeder ins Warme.
Kann man einen Obdachlosen zur richtigen Entscheidung zwingen? Nein, auch bei der Wahl des Schlafplatzes zählt der freie Wille. Auch wenn der freie Wille heißt, dass der Mensch friert.
Selbst bei Frost ziehen es Wohnungslose bisweilen vor, unter einer Brücke zu nächtigen. Aber für diejenigen, die ins Warme wollen, wird es in diesem Winter knapp – wie schon in den Jahren zuvor. Was für Berlin im Allgemeinen gilt, zeigt sich in Charlottenburg im Besonderen. Hier haben Großeinrichtungen wie die Bahnhofsmission am Zoologischen Garten ihren Sitz. Hier verweilt auch eine Mehrheit der schutzlosen Berliner über Nacht.
Reichen die Plätze?
Wie Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU) nun bekanntgab, werden in Charlottenburg-Wilmersdorf ab sofort folgende Notübernachtungsmöglichkeiten geöffnet sein: in der Flüchtlingsunterkunft Eschenallee 35 Plätze, bei der Luisengemeinde 60 Plätze, bei der City Station in der Joachim-Friedrich-Straße 20 Plätze und in der Arcostraße 40 Plätze. Weitere Optionen wollen die Träger der Kältehilfe prüfen, falls die Kapazitäten an fünf Tagen in Folge erschöpft sind.
„Befremdlich“ nennt diese Situation die SPD-Politikerin Annegret Hansen: „Ich sehe immer mehr, die unter Brücken wohnen, auch in Gegenden wie der Schlüterstraße und am Savignyplatz. Der Winter kommt ja nicht überraschend. Warum kann man nicht vorausschauender planen und mehr Schlafplätze schaffen?“ Dass erst eine Konferenz einberufen wird, wenn fünf Tage in Folge alle Schlafplätze besetzt sind, hält Hansen für besonders bedenklich.
Stadtrat Engelmann verweist wiederum darauf, dass es im vergangenen Jahr stets genügend Reserven gab. „Nicht alle wollen in den Genuss von Maßnahmen der Kältehilfe kommen“, weiß er um den Widerwillen mancher Bedürftiger, Hilfe anzunehmen. „Viele, die wir mit einem Kältebus abholen, lehnen das Angebot einer Unterbringung dankend ab.“
Einer der bekanntesten Fürsprecher der Ärmsten Berlins weiß nur allzu gut, dass in Deutschland tatsächlich ein so genanntes Recht auf Verwahrlosung besteht. Dieter Puhl, Leiter der Bahnhofsmission am Zoo, wird aber trotzdem nicht müde, ein Mehr an Übernachtungslätzen zu fordern. Und eine verstärkte Präsenz von Sozialarbeitern, die sich schwieriger Fälle annehmen. Denn oft sind psychische Erkrankungen im Spiel, teils in Verbindung mit Suchtproblemen. „Jedes Jahr kommen um die 1000 Hilfebedürftige dazu“, schätzt Puhl. „Es wird leider weiter gepokert – ausreichende Vorsorge ist nicht mehr zu erkennen.“ tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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