Kugelsicher in die Bundesliga
Club "Boule devant" gehört jetzt zu den Top 16
Seit elf Jahren geben sich die Frauen und Männer von „Boule devant“ die Kugel. Ihr meisterliches Spiel hat die Profis bis in die Bundesliga aufsteigen lassen. Der Berliner Club mit Vereinssitz in Charlottenburg gehört damit jetzt deutschlandweit zu den Top 16.
Wenn die Spieler die silbernen Kugeln gefühlvoll über den Sandplatz werfen, bleiben Passanten schon mal neugierig stehen. Denn Boule ist den meisten nur als Feierabendbeschäftigung alter Männer unter Platanen in Parks bekannt. Nicht so auf dem Vereinsgelände von „Boule devant“ an der Zillestraße. Dort frönen die rund 120 Clubspieler und Spielerinnen zwar durchaus der französischen Lebenskunst, aber auf einem viel höheren Niveau. „Genau genommen spielen wir kein Boule, sondern Pétanque“, sagt Bernhard Goetzke. Pétanque ist die Wettkampfvariante des Boule. Bernhard Goetzke und die anderen sind also Pétanque-Sportler. Der Unterschied: Anders als beim Boule wird die Kugel beim Pétanque, von „pieds tanques“ (geschlossene Füße), aus dem Stand und aus einem markierten Abwurfkreis heraus geworfen.
Bernhard Goetzke spielt seit 35 Jahren Boule. Angefangen hat er im zarten Alter von fünf Jahren. „Meine ganze Familie spielt Boule“, erzählt der Sportwart. Sein Onkel steht mit 79 noch jeden Tag auf dem Sandplatz, und Goetzkes Cousin war mehrfach deutscher Meister. Er selbst sei zwar „nicht so ein Top-Ten-Spieler“, sagt Goetzke. Aber im „Boule devant“, wo er seit acht Jahren Mitglied ist, spielt er immerhin in der 1. Mannschaft, und die hat es im vorigen November in die Bundesliga geschafft. „Zum zweiten Mal“, sagt der 40-Jährige stolz. Das erste Mal war 2015, drei Jahre nach der Gründung des Vereins. „Danach sind wir aber gleich wieder abgestiegen.“ Nach drei neuerlichen Anläufen haben sich Goetzke und seine neun Mannschaftskollegen, darunter zwei Frauen, in die Aufstiegsrunde der Bundesliga geboult und bei den Wettkämpfen vergangenes Jahr Platz 16 erkämpft. In der Bundesliga spielen insgesamt 16 deutsche Mannschaften.
Können und Gelassenheit
Um eine Partie Pétanque zu gewinnen, braucht es trainiertes Können, Gelassenheit und Tiefenentspannung. „Das ist ein sehr komplexer Sport“, erklärt Bernhard Goetzke. „Konzentration, mentale Stärke und Teamgeist gehören dazu.“ Aber man muss auch ein bisschen Zocken können, sagt Goetzke. Denn das Spiel könne sich immer noch drehen, selbst wenn eine Mannschaft zu verlieren drohe. Begeistert von dem geselligen Sport ist auch Erhard Bahr. Er gehört zu den Gründungsmitgliedern von „Boule devant“ und hat vor 16 Jahren angefangen mit dem Spielen. „Das macht mir unheimlichen Spaß“, sagt der 63-Jährige. „Für mich ist Boulen ein Stück Lebensgefühl“.
Zur Ausrüstung eines Spielers gehören drei Boulekugeln. Die sind aus Edelstahl und wiegen um die 700 Gramm. Die kleine Zielkugel ist aus Holz und wird unter Boulern Schweinchen genannt. Ziel des Spiels ist es, „die Kugeln aus dem Abwurfkreis näher an das Schweinchen heranzuwerfen als die gegnerische Mannschaft“, erklärt Erhard Bahr die Regeln. Wobei jeder Spieler seine eigene Wurftechnik hat, um die Kugel gut zu platzieren: rollen, im halben Bogen werfen und auskullern lassen oder im hohen Bogen direkt auf die Zielkugel werfen. „Es gibt Schießer oder Leger“, ergänzt Bernhard Goetzke. Der Schießer schießt fremde Kugeln, die in der Nähe der Zielkugel liegt, mit seiner Kugel weg. Der Leger platziert dagegen seine Kugel am besten. So oder so, Präzision ist alles.
Spielen in Formationen
Beim Pétanque, also der Wettkampfvariante, gibt es zudem mehrere übliche Formationen. Beim tête à tête spielt ein Spieler gegen einen anderen Spieler. Jeder hat drei Kugeln. Bei der Doublette sind es Zwei gegen Zwei mit drei Kugeln pro Spieler, und bei der Triplette treten drei Spieler gegen drei andere Spieler an. Hier hat jeder nur zwei Kugeln. Gespielt wird in mehreren Abschnitten, den sogenannten Aufnahmen. Hat ein Team 13 Punkte erreicht und die gegnerische Mannschaft keine Kugeln mehr, hat es gewonnen. Oder die Zielkugel ist ins Aus gegangen.
Laut Überlieferung kommt Pétanque aus der kleinen Hafenstadt La Ciotat nahe Marseille. An einem Junitag 1910 beschäftigten sich einige Männer auf dem Bouleplatz der Stadt gerade mit dem bewegungsreichen Jeu provencal. Einer aber konnte wegen einer Gehbehinderung nicht mitspielen und begann aus Langeweile seine Kugeln auf die kurze Distanz von nur drei Metern zu werfen. Die anderen leisteten ihm schließlich Gesellschaft und mit der Zeit einigte man sich darauf, stehend aus einem Abwurfkreis heraus auf sechs Meter Distanz die Zielkugel anzuspielen. Weitere Regeln kamen hinzu. An das Ereignis erinnert heute eine Tafel an der Mauer des Pètanque-Platzes von La Ciotat.
Im „Boule devant“ beginnt die Bundesliga-Saison im April wieder. „Turniere haben wir aber das ganze Jahr über“, so Bernhard Goetzke. Das größte ist der Boule-devant-Cup zu Himmelfahrt auf dem Vereinsbouleplatz Zillestraße 114. Die Kugel geben sich die Spieler aber auch schon mal auf der Schloßstraße. Die wird für das Großereignis mit 50 Mannschaften und 150 Spielern aus ganz Deutschland extra abgesperrt. Dann herrscht in Charlottenburg wieder französische Lebenskunst pur.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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