Wachsendes Problem
Der Götterbaum zerstört auch im Lietzenseepark die Vielfalt der Vegetation
Der Verein „Bürger für den Lietzensee“ schlägt Alarm: Der Götterbaum macht sich im Lietzenseepark derart breit, dass die Vegetation der beliebten Grünanlage bald als Monokultur daherkommen wird, wenn nichts geschieht.
Norbert Voss, Vorsitzender des rührigen Vereins, zieht unter Mühen eine kniehohe Pflanze des Ailanthus altissima, so der botanische Name des Götterbaums, samt Wurzel aus dem Erdreich. Das wäre der einzig wirksame Weg: Das Zurückschneiden versteht der Baum als Signal, sein Wachstum zu beschleunigen. Triebe aus verletztem Wurzelwerk können innerhalb eines Jahres drei Meter hoch werden.
In Beeten, an Hängen, auf der Brücke
Der Ailanthus gilt als schnellstwüchsiger Baum Europas. Wie schnell er sich ausbreitet, macht Voss anhand des südlich der Neuen Kantstraße abfallenden Hangs deutlich. „Im Februar sind wir hier durchgegangen, jetzt ist schon wieder alles voll.“ Wer einmal weiß, dass die gefiederten Blätter dem Götterbaum zuzuordnen sind, sieht ihn am Lietzensee wirklich überall. In den Beeten, an allen Hängen, oben auf der Brücke, wo er zwischen Geländer und Gehweg Wurzeln geschlagen hat und es eine Frage der Zeit ist, bis er Risse in den Beton zwingt.
Insekten und Vögel mögen den Götterbaum nicht
Voss und seine beiden Mitstreiterinnen aus dem Verein, Irene Fritsch und Giesela Liertz, kämpfen seit 2013 gegen die aus China stammende Pflanze und erläutern die Problematik: „Durch die enorme Konkurrenz um Nährstoffe und Licht werden alle anderen Pflanzen verdrängt. Insekten und Vögel mögen den Götterbaum nicht und bei der Beseitigung muss man wegen der Giftstoffe Handschuhe tragen. Auch soll er Asthma auslösen können“, sagt Voss. „In der Schweiz haben sie das gleiche Problem“, ergänzt Liertz, „dort versucht man, die Bäume mit Glyphosat einzupinseln und so abzutöten.“
Im Grünflächenamt fehlt Personal
Längst wisse das Grünflächenamt des Bezirks von dem Problem. Dort fehle es aber an Personal. „Eigentlich müssten junge, kräftige Mitarbeiter eingestellt werden. Die anstrengenden Arbeiten am Hang können ältere Menschen gar nicht leisten“, sagt Fritsch. Ebenfalls schwierig: "Würden die großen Wurzelwerke älterer Götterbäume ausgegraben, würden die Hänge vermutlich abrutschen.“ Weil der Bezirk machtlos ist, fordern die „Bürger für den Lietzensee“ den Senat auf, tätig zu werden. „Das ist ja kein lokales, sondern ein berlinweites, bundesweites, wenn nicht gar europaweites Problem“, sagt Liertz.
Derk Ehlert: Beseitigung macht Sinn
Derk Ehlert, Pflanzenfachmann in der Pressestelle des Senats für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, stimmt dieser Einschätzung zu. Seine Expertise ist fatal: „Den Götterbaum komplett aus dem Berliner Stadtbild zu verbannen, ist unmöglich. Er ist zu stark etabliert.“ In Berlin sei der Ailanthus bereits seit dem 17. Jahrhundert zu Gast. „Er ist ja auch sehr schön, war wegen seiner spektakulären roten Laubfärbung beliebt und hat sich auch sehr lange anständig benommen“, erklärt Ehlert. „Seit den 40er-Jahren findet er bei uns – vermutlich wegen des Klimawandels – beste Voraussetzungen. Seither vermehrt er sich explosionsartig. Und zwar auf allen Ebenen. Also über Samen und Rhizome.“ Erst vor zwei Wochen sei der Götterbaum auf die EU-Liste der Neobiota – Pflanzen mit stark invasivem Verhalten – gesetzt worden. „Er darf offiziell nicht mehr gepflanzt werden“, so der Sprecher des Senats. Weil seiner Ausbreitung niemand mehr Herr werden könne, könne es sich bei der Beseitigung des Götterbaums immer nur um Einzelfallentscheidungen handeln. „Im Lietzenseepark würde sie auf jeden Fall Sinn machen, allerdings ist der Bezirk dafür zuständig, nicht der Senat.“
„Unbefriedigend, der schafft das ja mit seinen Ressourcen nicht“, findet Fritsche. Damit wolle sich der Verein, der mit seinem Gang an die Öffentlichkeit auch Privatgarten-Besitzer für das Thema sensibilisieren möchte, sicher nicht abfinden. Am Sonnabend, 10. August, rückt um 10 Uhr wieder einmal ein Fernsehteam des RBB an und Moderator Ulli Zelle wird sich der Sache annehmen. „Wir hoffen einfach, dass wir Hilfe bekommen.“
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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