Gefährliche Pop-up-Farce
Behörden kommunizieren nicht – Radspur wird nicht fertig
Der Pop-up-Radweg auf der Kantstraße entwickelt sich zu einer gefährlichen Farce. Erst ein Drittel der temporären Spur ist markiert, doch schon am 31. Mai läuft die Frist für die Maßnahme aus. Einen Grund für die Verzögerung hätten die Schildbürger nicht besser hinbekommen.
Die gelbe Markierung für die Radler auf der Neuen Kantstraße und Kantstraße erstreckte sich am 19. Mai gerade einmal von der Herbartstraße im Westen bis Höhe Weimarer Straße in Richtung Westen. Bis zum Bahnhof Zoo soll sie reichen – und wohlgemerkt in die andere Fahrtrichtung wieder zurück. Ende Mai läuft die wegen der Corona-Krise durch den Senat angeregte Maßnahme offiziell aus, und die Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf hinterfragt in einer Mitteilung, ob die gelben Streifen wieder abgetragen werden müssen, bevor der Radweg fertig wird.
Auf die Ursachen des schleppenden Prozesses angesprochen, nennt Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Bündnis 90/Die Grünen) die feuchte Witterung, drei Tage müsse es trocken sein, sonst verrutsche die aufgeklebte Markierung. Zum anderen nennt er parkende Autos dort, wo der Radstreifen verläuft, nämlich zwischen dem Bürgersteig und der Mittelspur, die wiederum künftig als Parkmöglichkeit dienen soll. Nun könnte man nach dem Ordnungsamt schreien, das doch Falschparker umzusetzen hätte, wie es die Linke in ihrer Kritik auch macht. Das würde aber keinen Sinn ergeben, weil das Amt zumindest bislang – Stand 20. Mai – keine rechtliche Handhabe hat. CDU-Stadtrat und Leiter des Ordnungsamtes Arne Herz erklärt warum: „Für die Pop-up-Spur gibt es eine straßenverkehrsrechtliche Anordnung des Senats. Für die bestehende Anordnung auf der Straße zeichnet die bezirkliche Verkehrsbehörde verantwortlich. Also: Die vorher geltenden Verkehrsschilder hätten vor der Aufbringung der Markierung angepasst werden müssen. Jetzt ist der Verkehrsteilnehmer je nach Lesart aller Schilder quasi immer im Recht. Eine völlig absurde Situation.“ Hinzu komme, dass er die Anordnung des Senats erst am 13. Mai erhalten habe und somit gar nicht groß hätte mitreden können. Die bezirkliche Verkehrsbehörde untersteht Schruoffeneger und der gibt zu: „Wir hätten temporäre Haltverbotsschilder aufstellen können, das stimmt. Ein groß angelegtes Abschlepp-Szenario wäre aber auch dann schwer vorstellbar gewesen.“ Mittlerweile sei man sich hausintern wieder im Klaren, sagte jedenfalls Herz. „Zuerst muss jetzt der alte ruhende Verkehr angepasst werden.“
Falschparker umsetzen – aber wie?
Alles andere als klar ist Herz, wie er – selbst wenn dann die richtige Beschilderung vom Halteverbot auf der Pop-up-Lane kündet – die Autos von Falschparkern umsetzen lassen soll. „Die müssten über die parkenden Autos auf der Mittelspur gehoben werden. Wenn ich jemanden fände, der das trotz des Risikos macht, dürften an der Stelle aber nur flache Sportwagen stehen, keinesfalls ein SUV.“ Und noch etwas: „Der Abschleppwagen würde für die Zeit des Umsetzens auf der einzigen Spur für den motorisierten Verkehr halten müssen. Das bedeutet Stau.“ Er hätte sich gewünscht, die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz hätte das Konzept für den temporären Radweg vor der Umsetzung mit allen Behörden besprochen, die damit im Alltag befasst sind und die die Folgen auszubaden hätten. Der Stadtrat bedauert die Diskussion, die nun ein Stück weit auf dem Rücken der Fahrrad-Lobby ausgetragen werde.
„Was als Hoffnungsschimmer für Radfahrer in den Westbezirken begann und erst durch ausdauernde Proteste von Anwohnern und Verbänden und nach politischem Druck umgesetzt wurde, entwickelt sich zu einer Farce“, wird der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion, Sebastian Dieke, in der Mitteilung zitiert. Warum für Herz diese Farce auf der Kantstraße kein amüsanter Schildbürgerstreich ist? „Wenn dort ein Unfall geschieht und sich ein Stau bildet, kommt kein Rettungsfahrzeug durch.“
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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