"Keine langfristige Lösung"
Dauerstreit um Radweg auf der Kantstraße geht weiter
Der Pop-up-Radweg auf der Kantstraße soll wegen des Brandschutzes seinen Platz mit der Parkspur tauschen. Die Lösung scheint einfach, doch der Streit geht weiter. Auch aus dem Bezirk kommt viel Kritik.
Der im April 2020 nach einem tödlichen Unfall angelegte Pop-up-Radweg auf der Kantstraße ist mit 3,6 Kilometern der längste Berlins. Und es gibt noch eine Besonderheit: Radfahrer sind auf ihm relativ geschützt unterwegs, denn der Radweg liegt zwischen Bürgersteig und parkenden Autos. Die Radfahrer fahren also am rechten Fahrbahnrand, links von ihnen wird geparkt. Neben dem Parkstreifen liegt die Spur für den rollenden Autoverkehr.
Doch in naher Zukunft soll das umgekehrt sein: Rechts parken Autos, in der Mitte fahren die Fahrräder und links neben ihnen fließt der Verkehr. Darauf haben sich, wie berichtet, Anfang November Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU), ihr Staatssekretär Johannes Wieczorek und Bezirksstadtrat Christoph Brzezinski (CDU) gemeinsam mit Abgeordneten aus Charlottenburg-Wilmersdorf verständigt. Eine Umsetzung sei noch für dieses Jahr geplant. Vorab war jahrelang über den Radweg gestritten worden – auch im Bezirk, denn im Fall eines Brandes kann die Feuerwehr keine Drehleiterfahrzeuge aufstellen, weil der Radweg zu schmal ist. Um den Senat zum Handeln zu zwingen – die Kantstraße ist eine Hauptverkehrsstraße –, hatte Verkehrsstadtrat Brzezinski dann öffentlich gedroht, an der Kantstraße die Nutzung der oberen Wohnungen ab November zu untersagen. Das empörte – und führte zum aktuellen Plan.
Doch der Streit ist damit längst nicht ausgestanden. Im Gegenteil, der angekündigte Platztausch kommt als Lösung gar nicht gut an. Die Deutsche Umwelthilfe hat eine rechtliche Prüfung angekündigt, weil der Plan gegen das Berliner Mobilitätsgesetz verstoße und die Radfahrer gefährde. Dabei hatte die Organisation den Pop-up-Radweg an der Kantstraße anfangs noch als „grandiosen Erfolg für die Verkehrswende“ gelobt. Kritik kommt auch von Verkehrsverbänden wie Changing Cities, „Berlin autofrei“ und vom Netzwerk Fahrradfreundliches Charlottenburg-Wilmersdorf. Alle zusammen haben kürzlich bei einer Fahrraddemo auf der Kantstraße keine „schlechten Tauschgeschäfte“, sondern eine „nachhaltige Lösung für alle“ gefordert. Ihr Hauptargument: Die Kantstraße sei eine beliebte Strecke für Raser und Poser und ein ungeschützter Radstreifen lade gerade dazu ein, ihn zusätzlich als Rennstrecke zu missbrauchen. Auch würden Senat und Bezirk rechtswidrig handeln, da der Tausch gegen Paragraf 43 des Mobilitätsgesetzes verstoße. Der sieht an Hauptverkehrsstraßen geschützte Radverkehrsanlagen vor. Vorschlag der Fahrradlobby: geschützter (Poller-)Radweg und ersatzloser Wegfall der Parkplätze.
Protest kommt auch von politischer Seite. SPD und Linke wollen ebenfalls „eine dauerhafte Lösung“ für die Kantstraße. „Es ist Zeit, das Provisorium Pop-up-Radweg endlich zu beenden. Eine dauerhafte Befriedung der Situation kann es nur geben, wenn der Mittelstreifen auf der Kantstraße verkleinert wird“, so SPD-Fraktionschef Alexander Sempf. „Dann passen Gehweg, Radweg, Parkplätze und Fahrbahn nebeneinander.“ Die Planungen dafür müssten sofort beginnen. „Ein monatelanger Verwaltungsstreit wäre ein akutes Sicherheitsrisiko für alle Verkehrsteilnehmenden.“ Für Frederike-Sophie Gronde-Brunner, Ko-Fraktionschefin der Linken, beerdigt die von der CDU-Senatsverkehrsverwaltung angekündigte Minimallösung „auf Dauer einen geschützten Radweg“ und „verhindert eine nachhaltige Verkehrswende“. CDU und Grüne im Bezirk blieben maximal schwammig, so Gronde-Brunner. „So wird es auf lange Sicht keine Lösung in der Kantstraße geben.“
Die Grünen lehnen den Vorschlag der Senatorin ebenso ab. „Alternative Lösungen, die einen sicheren Radweg und einen sicheren zweiten Rettungswegs ermöglichen, liegen seitens des Bezirksamts schon länger vor.“ Für die nächste Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) haben die Fraktionen entsprechende Anträge formuliert.
Gegen die erneute Anordnung einer Pop-up-Lösung „ohne langfristige Perspektive“ spricht sich auch der für Straßen zuständige Stadtrat aus. Jahrelang sei es versäumt worden, eine Planung für eine dauerhafte Lösung vorzulegen und auf den Weg zu bringen, kritisiert Oliver Schruoffeneger (Grüne) die Senatsverwaltung. Vorhandene Planungen, für die der Bund Geld zugesagt hatte, seien wieder verworfen. Dazu habe auch der Vorschlag gehört, von der auch die BVG profitieren würde, die auf der Kantstraße mit vielen Bussen unterwegs ist. Demnach würde der Radfahrstreifen am rechten Fahrbahnrand erhalten bleiben. Die Parkspur links daneben sollte aber in eine Busspur umgewandelt werden, die abschnittsweise in bestimmten Zeiten als Ladezone dient. Außerdem hatte der Bezirk der zuständigen Senatorin im Frühjahr 2024 einen weiteren Vorschlag übersandt, um die Anforderungen der Feuerwehr zu erfüllen und die Sicherheit der Radfahrer zu gewährleisten. „Dazu hätte der Mittelstreifen der Kantstraße geringfügig verschmälert werden müssen“, so Schruoffeneger. Dazu habe es nicht mal eine Eingangsbestätigung gegeben. Stattdessen habe ihm die Senatsverwaltung noch Ende Oktober 2024 geschrieben, dass sich „die tatsächliche Situation in der Kantstraße aus hiesiger Sicht nicht besonders kritisch“ darstelle. Nach drei Jahren Diskussion, so Schruoffeneger weiter, sei diese Stellungnahme „schon fast als Arbeitsverweigerung zu bewerten“.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.