Mit der Finesse eines Stradivari
Andreas Zimmermann baut Geigen
An einem Meisterstück arbeitet Andreas Zimmermann mindestens 250 Stunden. „Es ist ein Kunsthandwerk, nicht einfach ein Handwerk“, betont der Geigenbauer. Wie aufwendig es ist, ein Streichinstrument herzustellen, wissen die wenigsten. Klassische Musik oder Jazz aber hört fast jeder gern.
Eine Werkstatt im Erdgeschoss eines Charlottenburger Altbaus. Es duftet nach Holz, die Luft ist wohl temperiert. Instrumente hängen von der Decke, und die Werkzeuge an der Wand tragen klangvolle Namen: Wölbungshobel, Wirbelreibahlen, Ziehklinge. Unter dem Fenster sitzt an einer langen Arbeitsplatte hochkonzentriert ein Mann. Neben liegt ihm der noch unfertige Holzkorpus einer kleinen Bratsche. Andreas Zimmermann ist bei der Arbeit. Er schnitzt gerade die Schnecke.
Handwerk in Mittenwald gelernt
Die Leidenschaft fürs Handwerk hat der Geigenbaumeister früh entdeckt. Mit Sechs schnitzte er schon Schachfiguren, spielte Geige wie sein Vater. Eines Tages, Andreas Zimmermann war in der 9. Klasse, nahm ihn der Vater mit in die staatliche Berufsfachschule für Geigenbau im bayerischen Mittenwald. „Als ich die Lehrlinge beim Schnitzen sah, sprang der Funke sofort über.“ Nach dem Gymnasium meldete er sich zur Aufnahmeprüfung an und bestand – als einer von 3000 Bewerbern. Die Meisterprüfung schaffte er mit Bravour, bekam von der Handwerkskammer sogar eine Goldmedaille. Gleich danach machte sich der Absolvent selbstständig und eröffnete in Spandau seine erste Geigenbauwerkstatt. „Ich war damals mit 25 Jahren der jüngste Geigenbaumeister in Berlin, vermutlich in ganz Deutschland“, erzählt Andreas Zimmermann. Später zog der heute 62-Jährige nach Charlottenburg um. Die Werkstatt in der Kaiser-Friedrich-Straße hat er seit 28 Jahren.
„Ein Geigenbauer braucht ein gutes Gehör, viel Geduld, handwerkliches Geschick und den Blick fürs kleinste Detail“
Hier, wo der Himmel wirklich voller Geigen hängt, verbringt Andreas Zimmermann den größten Teil seiner Arbeitstage mit Hölzern, Saiten, Sägen, Hobeln, Schnitzern und Feilen. Hier baut und repariert er Streichinstrumente nach den uralten Regeln der Geigenbaukunst. „Ein Geigenbauer braucht ein gutes Gehör, viel Geduld, handwerkliches Geschick und den Blick fürs kleinste Detail“, sagt Andreas Zimmermann. Das kann im Grunde zwar jeder lernen. „Aber für die Finesse eines Stradivari braucht es mehr: ein Gefühl fürs Holz, für die Schwingung des Instruments. Der Geigenbau ist ein Kunsthandwerk, nicht einfach ein Handwerk.“ Das beginnt schon damit, das passende Holz zu finden. Die Hölzer, die für den Instrumentenbau nötig sind, bezieht der Meister von einem Tonholzhändler aus Mittenwald. „Das Holz muss hart und fest sein“, erklärt Zimmermann, der alle seine Geigen, Bratschen und Celli aus geflammten Bergahorn, Gebirgsfichte für die Decke und Ebenholz fürs Griffbrett baut. Bevor er mit dem Holz arbeiten kann, muss es luftgetrocknet sein. Seine Klanghölzer, die er in der Werkstatt lagert, haben mindestens 40 Jahre auf dem Buckel.
Bevor Andreas Zimmermann mit gewissenhafter Handarbeit das Holz zum Klingen bringt, hat er den gewünschten Klang schon im Ohr. Schön offen, warm und dennoch kräftig im Ton. „Das hier wird wieder ein Spitzenprodukt“, sagt Zimmermann und zeigt auf die kleine Bratsche, die beinahe schon im Rohzustand klingt. „Das Holz ist wundervoll.“ Aber natürlich kommt es auf die Details an. Die verstellbare Lampe am Tisch ist für seine Arbeit daher unverzichtbar. So kann er jeden Schatten, jede Unebenheit auf der Holzoberfläche sehen und entfernen. Gutes Licht braucht der Geigenbauer auch für das Setzen des Stimmstocks, der den Klang beeinflusst. Denn dafür muss er in das Innere des Instruments schauen können.
250 Arbeitsstunden für eine Geige
Mindestens 250 Arbeitsstunden braucht Andreas Zimmermann für eine Geige. An der Bratsche baut er schon acht Monate. Wie aber entsteht eigentlich eine neue Geige? Die einzelnen Arbeitsschritte aufzuzählen, ist gar nicht so einfach. Vieles hängt von der Härte des Holzes ab oder davon, wie viel Lack am Ende aufgetragen werden muss. Den Spiritus-Öl-Lack stellt der Geigenbauer nach eigenem Rezept her. Jedes Instrument besteht aus mehreren Einzelteilen: Korpus, Zargenkranz, Hals und Schnecke. Womit begonnen wird, entscheidet jeder Geigenbauer selbst. Andreas Zimmermann fängt mit Boden und Decke für den Korpus an. Die werden ausgesägt, gestochen und gehobelt, gefugt. Dann macht sich der Meister an den Zargenkranz. Den muss er mit einem heißen Biegeeisen erst in Form biegen, was nicht leicht ist. „Bin ich zu langsam, verbrennt das Holz, bin ich zu schnell, bricht es.“ Zu den unzähligen Arbeitsschritten gehören auch das Einleimen des Bassbalkens, das Beziehen der Bögen und das Schneiden der Schalllöcher, wegen ihrer Form auch f-Löcher genannt. Griffbrett und Geigensteg werden gefertigt und eingesetzt, Windungen für die Schnecke gestochen, Wirbelkasten und Außenhohlkehle ausgestochen und am Ende alle Teile angepasst, aufgeleimt und schön geputzt. Dann geht es ans Lackieren, was sechs Wochen dauern kann. Denn zwischen den Anstrichen muss der Lack immer wieder trocknen und Andreas Zimmermann kleine Unebenheiten wegschleifen. Zum Schluss werden die Saiten feinjustiert und zum Schwingen gebracht. Am Klang offenbart sich dann die Virtuosität des Meisters.
Zimmermanns Spitzenprodukte haben ihren Preis. Unter 15 000 Euro sind die Geigen bei ihm nicht zu haben. Dafür bekommt der Käufer zu jedem Unikat eine Foto-Dokumentation mit nach Hause. Bis in die USA und nach Brasilien hat der Geigenbaumeister schon verkauft. Seine Kunden schätzen die hohe Qualität und den besonderen Klang seiner handgefertigten Instrumente. Würde er eine seiner Geigen am Ton erkennen? Andreas Zimmermann lächelt und nickt. „Weil sie ganz besonders verarbeitet ist und viel Liebe drinsteckt.“
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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