Auf Wunsch auch Nofretete
Ausstellung über 200 Jahre Gipsformerei der Staatlichen Museen

Gipskunstformer Sandro Michele bearbeitet die Abformung der Nofretete. Danach wird das Replikat der altägyptischen Königen bemalt.  | Foto: Matthias Vogel
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  • Gipskunstformer Sandro Michele bearbeitet die Abformung der Nofretete. Danach wird das Replikat der altägyptischen Königen bemalt.
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Anlässlich ihres 200-jährigen Jubiläums zeigt die Gipsformerei als älteste Einrichtung der Staatlichen Museen zu Berlin vom 30. August an erstmals einen Auszug ihrer Bestände und eröffnet damit die James-Simon-Galerie. 

König Friedrich Wilhelm III. hatte die königlich-preußische Gipsgussanstalt, wie die heutige Gipsformerei in der Sophie-Charlotten-Straße anfangs hieß, gegründet. Im Dezember dieses Jahres wird die Manufaktur 200 Jahre alt. Aus diesem Anlass habe man sich entschlossen, die Potenziale der Sammlung der Öffentlichkeit zu präsentieren, sagt Christina Haak, stellvertretende Generaldirektorin der Staatlichen Museen zu Berlin. „Denn sie ist sicher nicht die bekannteste, wenn nicht gar die verkannteste im Verbund der Museen.“ Dabei beinhalte sie Objekte, die tatsächlich alle Kulturkreise und Weltregionen in sich abbilden. „Wir sind die älteste aktive und größte Museumsmanufaktur der Welt und gleichzeitig ein Museumsarchiv“, sagt Miguel Helfrich, Leiter der Gipsformerei. Die Besonderheit: „Unser Sammlung sind gleichzeitig unsere Werkzeuge. Wir produzieren und erhalten und sind da sehr bedacht auf die richtige Balance."

7000 Mastermodelle lagern in den Regalen

Aus den historischen Formen – zum Teil zwischen 150 und 200 Jahre alt – lassen sich also alte Abformungen reproduzieren. 7000 Mastermodelle lagern in den Regalen der oberen Stockwerke, sie dienen als Referenzablage für die Repliken. „Wir haben aber deutlich mehr Objekte im Bestand. Dazu kommen ja noch die Formen und dann gibt es noch Farbmodelle, anhand der unsere Skulpturenmaler versuchen, so nah wie möglich ans Original heranzukommen.“ Gips verfällt mit der Zeit und deshalb müssen auch Verluste hingenommen werden. „Im Laufe der Zeit haben sich 500 Modelle angesammelt, die zerstört, verschollen oder in einem schlechten Zustand sind. Von daher sind unsere Formen auch so etwas wie haptische Zeitzeugen.“

Große Modelle sind die Spezialität

Die Spezialität der Gipsformerei ist die Abformung sehr großer Modelle. So wurde etwa bis vor Kurzen an Abformungen von Friesen des Pergamon-Altars gearbeitet. „Zweieinhalb Jahre lang, die Formen dafür stammen aus dem Jahr 1890 und sind nicht komplett“, sagt Helfrich. Wer glaubt, die Abformungen von Kunstwerken, Büsten oder Skulpturen würde nur an Museen oder andere Sammlungen verkauft, der irrt. Auch Privatleute können in der Gipsformerei auf Einkaufstour gehen. Die Büste der ägyptischen Königin Nofretete würde sich sicher gut machen auf dem heimischen Sims, allerdings müsste dafür ein Betrag übrig sein, für den man sich auch einen Kleinwagen kaufen könnte. Derzeit gebe es allerdings eine relativ lange Warteliste. „Die Auftragsbücher sind voll“, sagt der Leiter der Gipsformerei. Den jährlichen Umsatz der Manufaktur beziffert er auf eine Million Euro. Eine Überraschung hat er auch noch parat: „Die heutige Quadriga auf dem Brandenburger Tor basiert auf einer Schutzabformung, die vor der Zerstörung der Innenstadt im Zweiten Weltkrieg vorsichtshalber von uns angefertigt wurde.“

Ausstellung in fünf Themenbereichen

Der Pergamon-Fries macht es klar, in der Gipsformerei wird auch das Kunsthandwerk konserviert. Und so hat die Kuratorin der Ausstellung, Veronika Tocha, nicht nur aus 200 Exponaten einen exemplarischen Querschnitt der Sammlung gebildet und die Zusammenschau um Werke aus externen Sammlungen ergänzt, sondern präsentiert auch die unterschiedlichen Techniken der Abformungen mit Gips und den historischen Formenbau. „In fünf Themenbereichen filtern wir die Objekte heraus, die mit Natur-Abformungen von Tieren und Menschen zu tun haben. Ein 2,90 Meter langes Krokodil ist zu sehen, auch Tierköpfe, die Bildhauern als Modell gedient haben“, sagt Tocha. Auch Ganzkörper-Abgüsse aus der Kolonialzeit existierten. Sie seien Beleg dafür, dass der Gipsabguss nicht nur "nah am Leben“ sei, sondern manchmal auch „zu nah“. Die Objekte, die gewaltvolles, übergriffiges Vorgehen zeigen, würden nicht ausgestellt. „Wir werden das Thema aber transparent machen“, so Tocha.

Die Ausstellung "Nah am Leben. 200 Jahre Gipsformerei" öffnet vom 30. August bis zum 1. März 2020 täglich 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr in der James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel. Der Eintritt kostet 18, ermäßigt neun Euro.

Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

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